Lehrerbildung



Es gab in der Lehrerbildung zwei Schwerpunkte der Ausbildung:
  1. Postgraduales Studium: Diplomlehrer mathematisch-naturwissenschaftlicher und polytechnischer Studienrichtungen die Befähigung für den Informatikunterricht zu Teil werden zu lassen und
  2. Diplomlehrer für Informatik auszubilden.

Postgraduale Studium

1987 wurde vom Ministerium für Volksbildung und vom Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen ein "Studienplan für das postgraduale Studium zur Qualifizierung von Diplomlehrern auf dem Gebiet der Informatik an Universitäten und Hochschulen der DDR" veröffentlicht. Hierdurch sollte es Diplomlehrern mathematisch-naturwissenschaftlicher und polytechnischer Studienrichtungen ermöglicht werden, den Informatikunterricht durchzuführen. Sie sollten in der Lage sein
  • den Informatikunterricht in den 9 bis 12 Klassen der POS, EOS und der Berufsausbildung mit Abitur zu planen, zu organisieren und zu gestalten
  • die Schüler für die Informatik als Wissenschaft und für die Nutzung informationsverarbeitender Technik zu begeistern
  • die Schüler mit der gesellschaftlichen Bedeutung der Informatik unter den Bedingungen des Sozialismus und ihrer Schlüsselrolle bei der Meisterung der wissenschaftlich-technischen Revolution vertraut zu machen.
Schwerpunkte der theoretischen und praktischen Ausbildung waren:
  • Aneignung grundlegender Denk- und Arbeitsweisen
  • Entwicklung praktischer Fertigkeiten im Umgang mit informationsverarbeitender Technik
  • Herausbildung der Bereitschaft, Entwicklungen der Informatik zu verfolgen und neue Erkenntnisse selbstständig in den Lehrstoff zu übernehmen
Die praktische Tätigkeit am Computer nahm einen großen Teil der Ausbildung ein. Allen Teilnehmer wurde ein einheitliches Grundwissen vermittelt, als Spezialisierungsrichtungen standen
  • Informatik und Mathematik bzw.
  • Informatik und Prozeßautomatisierung
zur Auswahl. 

Voraussetzungen für die Teilnahme am postgradualem Studium

Voraussetzungen waren ein abgeschlossenes Hochschulstudium als Diplomlehrer, vorrangig für Mathematik, Physik oder Polytechnik, eine erfolgreiche Tätigkeit bei der Bildungs- und Erziehungsarbeit und der geplante weitere Einsatz als Lehrer im Informatikunterricht der POS, EOS oder der Berufsausbildung mit Abitur.

Aufbau und Ablauf des Studiums

Dieses Studium war ein Direktstudium an einer Universität oder lehrerausbildenden Hochschule und umfaßte ein Semester. Das Studium bestand aus Vorlesungen, Übungen, Seminaren und Praktika. Neben den 15 Wochen Lehrveranstaltungen standen 5 Wochen vorlesungsfreie Zeit für Praktika, Selbststudium und die selbstständige wissenschaftliche Arbeit zur Verfügung. Die Abschlußprüfung erfolgte in mündlicher Form.

Lehrgebiete

Die Ausbildung erfolgte in verschiedenen Lehrgebieten, die hier kurz erläutert werden sollen.

1. Weltanschaulich-philosophische, historische, ökonomische und soziale Aspekte der Informatik
 

Dieses Lehrgebiet sollte den Teilnehmer auf Grundlage ihres marxistisch-leninistischen Wissens die gesellschaftliche Wirkung der Informatik näher bringen. "Die Teilnehmer werden befähigt, die Bedeutung der Informatik für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und die weitere Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft tiefer zu erkennen und Schlußfolgerungen sowohl für ihre eigene Weltanschauung als auch für die weltanschaulich-philosophische Bildung und Erziehung im obligatorischen und fakultativen Informatikunterricht zu ziehen." (aus dem Studienplan für das postgraduale Studium)

Inhalte des Lehrgebietes

  • Thema 1: Informatik im System der Wissenschaften (6 Stunden)
    • Vorgeschichte und objektive Voraussetzungen zur Entstehung der Informatik
    • philosophisch relevante Fragestellungen (der marxistisch-leninistische Erkenntnisoptimismus)
  • Thema 2: Informatik in der Entwicklung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen im Prozeß der wissenschaftlich-technischen Revolution (7 Stunden)
  • Thema 3: Informatik im geistig-kulturellen Leben der sozialistischen Gesellschaft (2 Stunden)
    • Informatik als Bestandteil der Allgemeinbildung
    • Informatik in Kunst und Kultur
    • Informatik als Freizeitbeschäftigung

2. Algorithmen, Daten, Programme
 

Dieser Abschnitt erstreckte sich über 150 Stunden, wobei 75 Stunden auf Vorlesungen, 30 Stunden auf Seminare und Übungen und 45 Stunden auf ein Praktikum entfielen.

Die Teilnehmer wurden befähigt,

  • Probleme computergerecht aufzubereiten
  • algorithmische Strukturen zu erkennen und zu notieren
  • Daten problemadäquat zu beschreiben und zu strukturieren
  • sowie gute Programme systematisch zu entwerfen, zu schreiben und am Computer zu testen
Die Programmiersprache BASIC sollte vertieft werden. Zur Verknüpfung von Theorie und Praxis fand eine praktische Tätigkeit am Computer statt. Problemlösestrategien wie Rekursion, Iteration und back tracking, statische und dynamische Formen der Datenkomposition und Zusammenhänge zwischen Algorithmen und Daten wurden vermittelt.

Inhalte des Lehrgebietes
 

  • Themengruppe "Algorithmen" (45 Stunden)
    • Thema 1: Bestandteile von Algorithmen (7 Stunden)
      • algorithmische Grundstrukturen
      • Prozeduren
    • Thema 2: Darstellung von Algorithmen und Entwurfshilfen (6 Stunden)
      • verbale Beschreibung
      • Struktogramme
      • Flußdiagramme
    • Thema 3: Vom Problem zum Programm (20 Stunden)
      • Entwurfsphasen
      • Modelle
      • Verfeinerung
      • Testen und Verifizieren
    • Thema 4: Algorithmierbarkeit (6 Stunden)
      • Algorithmenbegriff
      • algorithmisch lösbare und unlösbare Probleme
    • Thema 5: Einschätzung und Effizienz von Algorithmen (6 Stunden)
      • Bewertungskriterien
      • Äquivalenz von Algorithmen
      • polynomiales und exponentiales Verhalten
      • praktische Einsatzgrenze
  • Themengruppe "Daten" (30 Stunden)
    • Thema 1: Einfache Daten (5 Stunden)
      • Elementare Daten (bit, Byte, Zeichen)
      • Zahlen, Zahlenbereiche, Konvertierung
      • Wörter, Zeichenketten
      • Kodierung
    • Thema 2: Mehrfache Daten (5 Stunden)
      • Vektoren, Matrizen, Felder
      • Zugriff durch Indizierung und Teilung
    • Thema 3: Strukturierte Daten (12 Stunden)
      • Hierarchische Daten
      • Datensätzen und Dateien
      • Zugriff durch Selektierung
      • verkettet Daten
      • Zugriff durch Zeiger
      • Stapel, Schlangen
      • Anwendungen
    • Thema 4: Problemmodellierung in Daten (4 Stunden)
      • Reales Modell
      • mathematisches Modell
      • Datenmodell
    • Thema 5: Datenkapseln (4 Stunden)
      • Zugriff zu Daten
      • Operationen mit Daten
  • Themengruppe "Programme" (75 Stunden)
    • Thema 1: Anwendungsorientierte Programmierung (45 Stunden)
      • von-Neumann-Prinzip
      • Deklarationen, Blockkonzept
      • Unterprogramme, Prozeduren, Funktionen
      • Parametervermittlung
      • Darstellung und Zugriff auf Daten
    • Thema 2: Funktionsorientierte Programmierung (15 Stunden)
      • Lambda-Notation von Church
      • Einblick in LISP, LOGO
    • Thema 3: Deskriptive/logische Programmierung (12 Stunden)
      • Relationale Datenbasis
      • Inferenz, Deduktion
      • Übergang von Datenverarbeitung zur Kenntnisverarbeitung
      • Ausblick (KI) und Rückblick
    • Thema 4: Programmiersprachliche Konzepte zur Parallelverarbeitung (3 Stunden)
      • Kooperation sequentieller Programme
      • Synchronisation

3. Hardware und Betriebssysteme
 

Den Teilnehmern wurden vertiefte Kenntnisse über den Aufbau, die Arbeitsweise und die Organisation von Rechenanlagen mit der Architektur der von-Neumann-Maschine vermittelt. Ihnen wurde Einblicke in die Darstellung von Befehlen und Daten, in die logisch-funktionelle Beschreibung der CPU sowie in die Befehlsablaufsteuerung und die Speicherorganisation gegeben.

Inhalte des Lehrgebietes

  • Thema 1: Aufbau, Arbeitsweise und Organisation der von-Neumann-Rechner (10 Stunden)
    • Informationsdarstellung und Wandlung
    • Zahlensysteme und Kodierung
    • Blockschaltbild und Funktion des von-Neumann-Rechners
    • interne Speicher
  • Thema 2: Peripherie und Koppelung (10 Stunden)
    • E/A-Geräte
    • parallele, sequentielle und serielle Übertragung
    • Schnittstellen, Interface und Kanäle
    • externe Speicher
  • Thema 3: Betriebssysteme (10 Stunden)
    • Schichtenstruktur
    • Betriebssystem-Dienste
    • Kommunikation mit Rechnersystemen
    • Prozesse und Betriebsmittel

4. Mathematische Grundlagen der Informatik
 

Dieses Lehrgebiet umfaßte 30 Stunden Vorlesung und versuchte, den Teilnehmern einen vertiefenden Einblick in den disziplinären Charakter der Informatik zu ermöglichen. Gleichzeitig sollten sie die Anwendung mathematischer Theorien und Strukturen in der Informatik erkennen.

Inhalte des Lehrgebietes

  • Algorithmentheorie
  • Kompliziertheitstheorie
  • Formale Sprachen
  • Syntax und Semantik von Programmiersprachen

5. Mathematische Modellierung ausgewählter Programme
 

Anhand von Beispielen erhielten die Teilnehmer einen Einblick in die Phasen der Problemlösungsprozesse, Arbeitsschritte bei der Modellierung und Steuerung von der Problembeschreibung über das mathematische Modell einschließlich seiner Analyse und Wertung der Ergebnisse wurden ihnen näher gebracht.

Inhalte des Lehrgebietes

  • Modellierung und Steuerung technischer Systeme
  • Statistische Methoden der Prozeßanalyse
  • Computer im Bildungsprozeß

6. Automatisierung von Produktionsprozessen
 

Die Rolle des Computers im Produktionsprozeß, bei der Organisation, Planung, Forschung und Entwicklung wurde hier verdeutlicht. Zwei grundsätzliche Linien ergaben sich dabei und wurden verfolgt, zum einen die komplexe Prozeßautomatisierung und zum anderen die direkte digitale Steuerung. 

Die Gesamtstundenzahl betrug 90 Stunden und umfaßte 30 Stunden Vorlesung, 30 Stunden Übungen/Seminare und 30 Stunden Praktikum.

Inhalte des Lehrgebietes

  • Thema 1: Grundfunktionen von automatischen Systemen (6 Stunden)
    • Prozeßsicherung und -überwachung, Prozeßstabilisierung, Prozeßführung und -optimierung
    • Informationsgewinnung, -verarbeitung, -speicherung, -nutzung und -übertragung
    • analoge und digitale Steuerungssysteme
  • Thema 2: Elemente und Strukturen rechnerautomatisierter Systeme (8 Stunden)
    • Computer als Steuerungsautomaten
    • Standardschnittstellen (V.24, Centronics)
    • Automatisierungsstrukturen
  • Thema 3: Programmierung im Maschinen- und Assemblerkode (30 Stunden)
    • ausgewählte Befehle des U880
    • Programmierung der peripheren Schaltkreise
    • Überblick Einchip-Rechner
    • Aufbau und Arbeitsweise einer maschinenorientierten Sprache
    • Arbeitsweise eines 2-Pass-Assembler
  • Thema 4: Echtzeitverarbeitung (16 Stunden)
    • Standardisierte Betriebssysteme (UDOS, CP/M)
    • Polling und Interruptbetrieb
  • Thema 5: Prozeßperipherie (30 Stunden)
    • Analoge und digitale Sensoren
    • Effektoren
    • AD- und DA-Wandler
    • Interface-Bausteine

7. Methodik des Informatikunterrichts
 

15 Stunden Vorleseung, 15 Stunden Seminare/Übungen und 15 Stunden schulpraktische Übungen umfaßte diese Lehrgebiet.

Inhalte des Lehrgebietes

  • Thema 1: Erziehungs- und Bildungsziele des obligatorischen und fakultativen Informatikunterrichts (2 Stunden)
  • Thema 2: Linien des obligatorischen und fakultativen Informatikunterrichts und deren didaktisch-methodische Realisierung (8 Stunden)
  • Thema 3: Didaktisch-methodische Aspekte der Unterrichtsgestaltung im obligatorischen und fakultativen Informatikunterricht (4 Stunden)
  • Thema 4: Führung des Unterrichtsprozesses von der Motivierung und Zielorientierung über die Einführung neuen Stoffs bis zu seiner Festigung in typischen Situationen (10 Stunden)
  • Thema 5: Didaktisch-methodische Gestaltung von Projektarbeit (6 Stunden)

Ausbildung von Diplomlehrern der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen

1989 veröffentlichte das Ministerium für Volksbildung und das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen den "Studienplan für die Ausbildung von Diplomlehrern der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen in der Fachkombination Mathematik/Informatik an Universitäten und Hochschulen der DDR". Am 1.9.1989 trat dieser Studienplan in Kraft.

Das Studium umfaßte 5 Jahre (im zweiten Studienjahr sollte eine militärische Qualifizierung bzw. die ZV-Ausbildung (Zivilverteidigung) stattfinden) und folgende Lehrgebiete

  • Dialektischer und historischer Materialismus
  • Politische Ökonomie
  • Wissenschaftlicher Sozialismus
  • Grundkurs Mathematik
  • Wahrscheinlichkeitstheorie und mathematische Statistik
  • Geschichte der Mathematik
  • Grundkurs Informatik
  • Angewandte Informatik
  • Physikalische Grundlagen der Informatik
  • Geschichte der Erziehung
  • Grundlagen der Pädagogik
  • Erziehungstheorie
  • Didaktik
  • Allgemeine und Persönlichkeitspsychologie
  • Entwicklungspsychologie
  • Lern- und Erziehungspsychologie / Lern- und Verhaltensstörungen
  • Diagnostik
  • Methodik des Mathematikunterrichts
  • Methodik des Informatikunterrichts
  • Experimente für den Informatikunterricht
  • Gesundheitserziehung
  • Englisch
  • Russisch
  • Sport
  • Sprecherziehung
  • Technik der Arbeit mit audiovisuellen Unterrichtsmitteln
  • Kulturelle, ästhetische Bildung und Erziehung
Im 3. und 4. Semester sollten zehn schulpraktische Übungen in Pädagogik und Psychologie durchgeführt werden. Für jede Übung sollten 5 Stunden zur Verfügung stehen.

Inwieweit dieser 1989 begonnen Studiengang nach der Wende beendet wurden, ist uns leider nicht bekannt.