3. Ziele und Arbeitsprogramm des Projekts "Von der Ordnung des Wissens zur Wissensordnung digitaler Medien"

Offene globale Rechnernetze erlauben neue Formen der Kommunikation, der Information, ihrer Speicherung und Archivierung, aber auch des Handels und der Unterhaltung. Computernetze werden als digitalen Medien erkennbar. Damit muß das in der Informatik bisher vorherrschende Verständnis dessen, was Computer seien und wozu sie dienen können, neu bewertet werden. Die klassische Sichtweise des Computers in der Informatik als Rechen- und Steuerautomat ist einem formalen Begriffs- und Methodenapparat verhaftet, der vielleicht schon in Bezug auf die Werkzeugmetapher der 70er und 80er Jahre zu kurz griff und mit der Nutzung des Computers als einem in globale elektronische Netze eingebundenen Informations- und Kommunikationsmedium nun endgültig an seine Grenzen stößt.

Informatik stößt dabei auf eine Urform wissenschaftlicher Tätigkeit, die die letzten Jahrhunderte geprägt hat — auf die Ordnung des Wissens im Sinne Michel Foucaults, mit dem Ziel der Erkenntnis der Natur, aber vor allem dem Ziel seiner Beherrschung in Technik und Gesellschaft. Die Ordnung des Wissens hat die Wissenschaften hervorgebracht. Dieser Prozeß ist aber auch in formalen, rechtlichen, politischen und ökonomischen Strukturen aufgegangen, in den Wissensordnungen, wie Helmut Spinner dies bezeichnet: den Regelungen des Wissenserwerbs in der Ausbildung und dem Umgang mit dem Wissens in der Forschung von der Humboldtschen Universitätsverfassung bis zur Freiheit von lehre und Forschung im Grundgesetz, den Patent- und Urheberrechtsregelungen, dem Zugang zum Wissen in öffentlichen Bibliotheken und Museen, bis zur den Medienstaatsverträgen.

Zu entfalten ist ein Medienverständnis, das ausgehend von den Digitalen Medien, wie sie technisch konzipiert sind und wie sie sich technisch entwickeln mögen, die Zukunft des Wissens als medial vermitteltes Wissen im elektronisch-digitalen Speicher der globalen Netze beschreibt.

Diese nationalen Wissensordnungen stoßen nun mit ihren digitalen, vernetzten Ausprägungen, den offenen Rechnernetzen, globalen Satellitendiensten und digitalen transozeanischen Glasfasernetzen aller Medienformen mit unmittelbarer Kraft in globalen Felder vor. Dies provoziert die Frage nach der Zukunft des Wissens als globale Frage.

Im Rahmen des Projektes soll diese Frage als disziplinäre Frage der Informatik behandelt werden, was heißt, die bisherige Konstruktion der Disziplin im globalen Feld im Lichte dieser neuen medialen Entwicklungen in Frage zu stellen. Mit dieser speziellen Ausprägung der Frage ist die Möglichkeit einer im engeren Sinne disziplinären Antwort damit ausgeschlossen, da es ja um eine Neubewertung der Disziplin im Kontext der durch die digitalen Medien provozierten "Informationsgesellschaft" geht. Antworten müssen in Verbindung mit den anderen mit Medien befaßten Wissenschaften gefunden werden. Dies ist eine Perspektive für die Entwicklung der Disziplin Informatik - und gleichzeitig Perspektive anderer Disziplinen unter dem Einfluß der Informatik. Zu entfalten ist ein Medienverständnis, das ausgehend von den Digitalen Medien, wie sie technisch konzipiert sind und wie sie sich technisch entwickeln mögen, die Zukunft des Wissens als medial vermitteltes Wissen im elektronisch-digitalen Speicher der globalen Netze beschreibt.

Bei der Frage nach der Ordnung des Wissens und der neuen Wissensordnung geht es um das medial vermittelte Wissen - also vom gesicherten Wissen des wissenschaftlichen Diskurses bis zum allgegenwärtigen Medienwissen in jeglicher Form, Menge und Güte. Dies soll exemplarisch im Bereich der Informatik verfolgt werden, da dieser inseiner Vernetzung weit fortgeschritten ist. Informatik wird mit und durch ihrer technischen Erfolge, die rasche Entfaltung offener globaler Rechnernetze, mit einer neuen, veränderten Situation konfrontiert, in der immer mehr Fragestellungen zu sozialen und kulturellen Problemen ihrer Anwendungen in die Disziplin selber übernommen und integriert werden müssen. Durch die Nutzung des Computers als interaktivem Instrument, das zugleich als Kommunikations-, Speicher- und Verbreitungsmedium wirkt, verschieben sich die Vorstellungen von seiner Funktion ebenso wie die an ihn gestellten Anforderungen. Für die kulturelle Bedeutung der Rechnernetze ist nicht mehr der Aspekt der automatischen Datenverarbeitung bestimmend, sondern ihre Vermittlungs- und Speicherfunktion bei der Verbreitung und Aneignung von Wissen aller Arten, in jeder Menge und jeglicher Güte, eben medialem Wissen.

Der hauptsächliche Verwendungszweck der "Computer" — stets als Komplex aus Rechner, Software, Peripheriegeräten und Netzverbindungen verstanden — wird in der sich abzeichnenden "Informationsgesellschaft" darin bestehen, als interaktiv nutzbare "instrumentelle Medien" in globalen elektronischen Netzen Informationen aufzuspüren, aufzubereiten und den Nutzern in geeigneter Form zu vermitteln. Diese Nutzer müssen sich ihrerseits bereits bei der (Re-)Konstruktion des für sie relevanten Wissens auf die technischen Vorgaben einlassen. Bedingt durch die Verwendung von Computern in vernetzten Zusammenhängen wird die Verknüpfung instrumenteller Momente der Informationsverarbeitung, vor allem der Informatik, mit den auf ihnen beruhenden Formen der Wissens- und Kommunikationsvermittlung, vor allem der Medien, zum Charakteristikum einer "Technisierung des Wissens", aus der Helmut F. Spinners These aufgreifend, ein grundlegender Wandel der bisher gültigen "Wissensordnungen" folgt. Computer treten dabei sowohl als ausgezeichnete "kognitiv-technische Artefakte" wie als Medien auf. Diese Entwicklung soll hier untersucht werden.

Daraus leiten sich die beiden zentralen Untersuchungsgegenstände des Forschungsvorhabens ab, der Prozeß der "Verschmelzung von Wissen und Technik" zu spezifischen kognitiv-technischen Artefakten in der Informatik und die Ausarbeitung eines auf Computernetze anwendbaren Medienkonzepts, das den zukünftigen Umgang mit Wissen definiert. Dieses Medienkonzept soll sich absetzen und einfügen von anderen Auffassungen, die historisch im Kontext der Informatik, insbesondere in der Datenbanktechnik und den Forschungen zur "Künstlichen Intelligenz" entstanden sind, aber auch von Definitionen der Publizistik und

Um den Computer in seiner Doppelrolle als Kognitiv-Technisches Artefakt sowie als Medium zu verstehen, müssen die beiden thematischen Stränge, Möglichkeitsraum und Medienkonzept, zusammengeführt werden.
Kulturwissenschaften.

Der Begriff des kognitiv-technischen Artefaktes führt zu Fragen an die informatische Produktion. Die Artefakte verwenden verschiedenartige Verfahren bei der technischen Verarbeitung von Wissen. Sie replizieren herkömmliche Verfahren als digitale Kopie vorgegebener Prozesse und führen diese mittels der digitalen Grundstruktur zu neuen Wissenstechniken zusammen. Die klassische Aufgabe jeder Kultur, Erzeugung, Bewahrung und Vermittlung von Erfahrung und Wissen, stellt sich unter diesen technischen Änderungen radikal neu. Dieser Prozeß ist mit den Kulturwissenschaften zu erörtern. Die Grenzen der technischen Möglichkeiten und ihre wahrscheinlichen Ausprägungen sind soweit möglich im trans-disziplinären Diskurs zu umreißen.

Deutlich und differenziert treten die genannten Aspekte im Zusammenhang mit der Hypertextstruktur des World Wide Web, in den technischen und organisatorischen Problemen bei der Konzeption von Suchmaschinen und Suchdiensten und in Verbindung mit Regelungen beim elektronischen Publizieren im Netz auf. Diese Gegenstandsfelder sollen eingehender betrachtet werden.

Dies soll exemplarisch den Möglichkeitsraum informatisch induzierter Technikfolgen, die den Wandel der Wissensordnung zur Wissensordnung der Informationsgesellschaft charakterisieren, umreißen. Daraus können Anforderungen und Folgen für die technische Wissenschaft Informatik zu formuliert werden.

Mit einem auf den Computer anwendbaren Medienkonzept, das es erlaubt, die sozialen Konstruktionshandlungen der Nutzer mit der technischen Präformierung durch die globalen offenen Rechnernetze zu vermitteln, soll erklärt werden, wie die Folgen in Gestalt neuartiger Formen des Wissens und eines veränderten Umgangs mit Wissen zustandekommen. Eine Beschränkung den Rechner als Kommunikations- und Verbreitungsmedium greift zu kurz. Weitere mediale Momente sind zu untersuchen, die sich durch Art der durch den Computer vermittelten Interaktion unterscheiden:

• die Rolle der Netze als kulturelle Speicher und Archive;

• die Konstruktion der Mensch-Maschine-Schnittstelle sowie

• der reflexive Bezug auf das Arbeitsmittel bei der Arbeit mit dem Computer.

Diese unterschiedlichen Aspekte sind in einem Medienkonzept zu integrieren, in dem die technischen Formationen mit den sozialen Formierungen zusammengedacht werden können. Dieses Medienkonzept soll an der aktuellen Diskussion um den Medienbegriff ansetzen und seine eigenen Aspekte in die Diskussion des Projektverbundes einbringen. Dieser Diskurs mag helfen, entstandene Fixierungen in Frage zu stellen und helfen, einen Medienbegriff zu entwickeln, der technischen wie kulturwissenschaftlichen Ansprüchen gleichermaßen gerecht wird.

Um den Computer in seiner Doppelrolle als Kognitiv-Technisches Artefakt sowie als Medium zu verstehen, müssen die beiden thematischen Stränge, Möglichkeitsraum und Medienkonzept, zusammengeführt werden. Im Umriß werden so die technischen Bedingungen einer neuen globalen Wissensordnung sichtbar.

Als besonderer Akzent des Projektes sollen Konsequenzen für die Disziplin Informatik abgeleitet werden. Will man den Prozeß der Ausbildung einer neuen Wissensordnung nicht nur beobachtend sich selbst überlassen, müßte versucht werden, regulative Bestimmungen für die von Spinner vorgeschlagenen "Qualitäts-, Schutz- und Verbreitungszonen" bewußt zu gestalten. Leitwerte der Veränderungsfreiheit, Beeinträchtigungsfreiheit und Verkehrsfreiheit betreffen wünschenswerte Eigenschaften im Umgang mit verschiedenen Wissensarten. Die im Möglichkeitsraum verorteten Wirkungszusammenhänge wären systematisch auf die Wissenszonen und ihre Leitwerte zu beziehen, um Entwicklern informatischer Artefakte ein Instrumentarium an die Hand zu geben, mit dem sie schon auf der Ebene des Entwurfs die weitreichenden Folgen ihrer Entscheidungen bedenken können. Das Medienkonzept könnte dann dazu dienen, eine "Sprache" bereitzustellen, in der sich die Vermittlungsschritte zwischen den technischen Konfigurationen und der von ihnen ausgehenden Beeinträchtigung oder Förderung der Leitwerte besser formulieren und verstehen lassen. Die Formulierung solcher Entwicklungslinien ist ein fachspezifischer Teil des Projektes "Von der Ordnung des Wissens zur Wissensordnung Digitaler Medien.

 

3.1 Ziele des Forschungsprojektes

Ziel des beantragten Forschungsvorhabens ist es, den Beitrag der Informatik zum Wandel der national definierten Wissensordnungen zu einer globalen, durch die offenen Rechnernetze bestimmten Wissensordnung zu klären. Die Untersuchung soll Aufschlüsse über die Doppelrolle der Computer und Computernetze geben, die als Kognitiv-Technische Artefakte den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zugrunde liegen und der als Digitale Medien neue Formen der Kommunikation und des Umgangs mit Wissen vermitteln. Damit lassen sich Ansätze einer ªWissensordnungs-Informatik´ (H. Spinner) entwickeln, die über die technischen Aspekte der Wissensverarbeitung hinaus auch die durch die informatischen Artefakte verursachten Technikfolgen zweiter Art, in ihre Überlegungen einbezieht. Zu diesen Technikfolgen zweiter Art schreibt Spinner: "Die mittelbaren Technikfolgen zweiter Art liegen in den mehr indirekten und weniger handgreiflichen, aber deswegen umso tiefergehenden und insgesamt folgenreicheren Aus- und Rückwirkungen auf den ordnungspolitischen Bezugsrahmen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und seiner Folgenproblematik." (Spinner 1994a, S. 62)

Komplementär dazu hat ein auf den Computer anwendbares Medienkonzept zu begründen, in welchem Sinne dieses technische Medium eine ‘Informations- oder Wissensgesellschaft’ konstituiert und wie eine Technisierung des Wissens mit den informatischen Konzepten funktional zusammenhängt.

In der einen Sicht stehen die technische Verarbeitung von Wissen und die technisch ermöglichten Umgangsformen mit Wissen im Vordergrund; in der anderen Richtung der Bezug auf die sozialen, jedoch technisch bedingten Konstruktionshandlungen der NutzerInnen dieser Technologie.

Der Wandel der Wissensordnung, womit die Gesamtheit der konstitutiven Leitbestimmungen, der zusätzlich auferlegten normativen Regelungen und empirisch gegebenen faktischen Randbedingungen für den Umgang mit Wissen aller Art, in jeder Menge und Güte bezeichnet wird, beruht in erheblichem Maße auf der Entwicklung der Computertechnologie und der digitalen Nachrichtentechnik. Um zu klären, welchen Beitrag die Kognitiv-Technischen Artefakte der Informatik dabei leisten, soll ein systematischer Zusammenhang zwischen den von diesen bereitgestellten Möglichkeiten der technischen Verarbeitung von Wissen, ihrer eigenen Wissensbasierung und neuen sozialen Formen des Umgangs mit Wissen hergestellt und in einem mehrdimensionalen Möglichkeitsraum der Technikfolgen dargestellt werden.

Hinter unscharfen und heterogenen Sprechweisen vom "Medium Computer" läßt sich die ihnen gemeinsame Vorstellung einer technisch bedingten Vermittlungsfunktion ausmachen, die unterschiedliche Formen der Interaktion betrifft. Um diese auf den Begriff zu bringen, ist ein Medienkonzept erforderlich, das die Idee der Mediatisierung beim Wort nimmt und die technischen Konfigurationen des Computers mit den sozialen Konstruktionshandlungen der Entwickler und Nutzer vermittelt. In einem integrierenden Medienkonzept ist zu erklären, wie die grundlegenden medialen Momente des Computers in seinem Einsatz als Kommunikations- und Verbreitungsmedium, einem Speicher- und Archivmedium, in der Interaktion an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine und im reflexiven Bezug auf das Arbeitsmittel funktionieren und zusammenhängen.

Die durch den Computer forcierten Technikfolgen zweiter Art (H.Spinner) und der sich darin vollziehende Wandel der Wissensordnung können nur im Rekurs auf die Doppelrolle der Computer als Digitale Medien und als Kognitiv-Technisches Artefakte erklärt werden. Das bedeutet einerseits, daß der soziale Prozeß der Verschmelzung von Technik und Wissen aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden kann (bzw. konnte). In der einen Sicht stehen die technische Verarbeitung von Wissen und die technisch ermöglichten Umgangsformen mit Wissen im Vordergrund; in der anderen Richtung der Bezug auf die sozialen, jedoch technisch bedingten Konstruktionshandlungen der NutzerInnen dieser Technologie. Zum anderen folgt daraus, daß sich nur in der Zusammenschau beider Hinsichten ein Überblick über die technischen Konstituenten einer möglichen neuen Wissensordnung gewinnen läßt. Der hinsichtlich des Umgangs mit Wissen aufgespannte Möglichkeitsraum technisierter Wissensformen ist deshalb durch einen adäquaten Medienbegriff zu ergänzen.

Aus den vorangegangenen Überlegungen sollen praktische Konsequenzen für die Informatik abgeleitet werden. Der angesprochene Möglichkeitsraum ist im Hinblick auf eine neue Wissensordnung auf die Wissenszonen im Sinne Spinners und deren Leitwerte zu beziehen, so daß eine auszugestaltende Wissensordnung auch als wünschenswert erscheinen kann. Vor diesem ordnenden Hintergrund sollen die Kognitiv-Technischen Artefakte der Informatik hinsichtlich ihrer Technikfolgen erster und zweiter Art klassifiziert werden. Sofern die zu gestaltenden informatischen Artefakte darin zu verorten sind, können schon auf der Ebene des Entwurfs mögliche Auswirkungen von Entscheidungen verständiger bedacht werden.

 

3.2 Arbeitsprogramm

Das Vorhaben geht davon aus, daß sich mit der Nutzung des Rechners als Informations- und Kommunikationsmedium dessen Aufgaben und die an ihn gestellten Anforderungen von einer automatischen Datenverarbeitung, über den Weg einer stärkeren Betonung des Werkzeugcharakters, hin zu einer interaktiven Nutzung eines vernetzten Mediums verschieben. Dessen Funktion wird darin bestehen, innerhalb einer sich in der "Informationsgesellschaft" wandelnden Wissensordnung ein individuell verwendbares "mediales Instrument" zur interaktiven Informationsnutzung bereitzustellen. Wie im Abschnitt zur "Problemlage" ausgeführt worden ist, bilden die zwei Aspekte einer Verschmelzung von Wissen und Technik, die in dem Rahmen einer Wissensordnung analysiert werden soll, und ein Verständnis des Computers als Medium, das neuartige Formen des Wissens und einen veränderten Umgang mit Wissen vermittelt, die beiden thematischen Stränge unseres Forschungsvorhaben.

Dabei wird es wichtig sein, dies nicht als separate Entwicklungen zu sehen, sondern ihre wechselseitigen Bezüge zu betrachten. Erst die in der Praxis immer stattfindende Verschmelzung beider Aspekte definiert den Sinn dessen, was durch die Informationstechnik an Möglichkeiten zum Umgang mit Wissen und Kommunikation bereitgestellt wird.

Methodisch sollen dabei neben einer sorgfältigen Literaturanalyse die Vorgänge, Entwicklungen und Verschiebungen im Internet ausgewertet werden. Es kann dabei auch auf eigene Erfahrungen in der Informatik, in der Bildverarbeitung und im Umgang mit experimentellen Digitalen Medien zurückgegriffen werden. Die fortlaufende Diskussion mit sozial- und kulturwissenschaftlichen Medienforschern ist zentral für die Durchführung des Projektes. Dies soll vor allem durch den Verbund Theorie und Geschichte der Medien gesichert werden.

Das Forschungsvorhaben Von der "Ordnung des Wissens" zur "Wissensordnung Digitaler Medien soll in drei argumentativ und zeitlich aufeinander aufbauende Arbeitsphasen gegliedert werden.

 

3.2.1 Wissenstechnische Aspekte der Computernetze

In der ersten Phase erfolgen exemplarische Untersuchungen zur Phänomenologie einer durch den Computer verursachten Technisierung des Wissens und dessen medialen Momenten. An Hand konkreter Informatikprodukte ist die These von der Verschmelzung von Wissen und Technik empirisch zu untermauern. Hierzu sollen ausgewählte Beispiele

Ziel dieser Ausführungen ist es, anhand der gewählten Beispiele sowohl die zunehmende Wissenbasierung dieser Technologien aufzuzeigen, als auch Anhaltspunkte dafür zu liefern, wie mittels dieser Techniken das Wissen selbst technisiert wird. Dabei soll die These untermauert werden, daß sich im Internet neue, technisch bestimmte Erkenntnisstile und Wissensformen ausbilden.
aus dem Bereich des Internet daraufhin untersucht werden, inwiefern eine zunehmende Wissensbasierung der dort genutzten Technologien festgestellt werden kann und in welcher Form durch sie Wissen selbst technisiert wird. Untersucht werden sollen zum einen technisch bedingte Umgangsweisen mit Wissen und deren kognitive und soziale Auswirkungen an den drei Beispielen der Hypertext-Struktur des World Wide Web, anhand von Agentenmodellen beim Einsatz von sogenannten Suchmaschinen im Internet und am Beispiel des wissenschaftlichen elektronischen Publizierens und Archivierens im Netz.

Genauer betrachtet werden sollen die folgenden drei Aspekte. Erstens die Frage der Organisation von Wissen im Internet vor dem Hintergrund der Hypertextstruktur des World Wide Web. Hier steht die Frage nach der technischen Realisierung von neuen nichtlinearen Organisationsformen für Wissen und den sich daraus ergebenden Konsequenzen im Vordergrund. Zweitens der Einsatz von programmierbaren Agenten in der speziellen Form von Suchmaschinen zur Informationsbeschaffung im Internet. Zentraler Punkt des Interesses ist hier zum einen die Möglichkeit der Erstellung sogenannter mentaler Modelle der "User", die als Grundlage für die Arbeit der Agenten verwendet werden; zum anderen die Frage nach den technisch realisierten Möglichkeiten des Auffindens von bestimmten Informationen und den hierfür auf Seiten der Anbieter der Suchdienste vorgenommenen Vorstrukturierungen der Informationsangebote im Internet. Drittens soll die im Bereich des wissenschaftlichen elektronischen Publizierens veränderte Umgangweise mit Wissen in globalen Datennetzen untersucht werden. Am Beispiel der wissenschaftlichen Informationsangebote, der elektronischen Zeitschriften, der Bibliothekszugänge und der langfristigen Archivierung soll der durch das technische Artefakt Internet sich wandelnden Umgang mit Wissen verdeutlicht werden. Ziel dieser Ausführungen ist es, anhand der gewählten Beispiele sowohl die zunehmende Wissenbasierung dieser Technologien aufzuzeigen, als auch Anhaltspunkte dafür zu liefern, wie mittels dieser Techniken das Wissen selbst technisiert wird. Dabei soll die These untermauert werden, daß sich im Internet neue, technisch bestimmte Erkenntnisstile und Wissensformen ausbilden. Zur Verdeutlichung dieser Thesen, wird im folgenden, nach ein paar einführenden Bemerkungen zum Thema Internet, auf die drei zu untersuchenden Aspekte kurz eingegangen.

 

3.2.2 Mediale Aspekte der Computer

Neben den wissenstechnischen Aspekten sollen charakteristische mediale Funktionen des Computers studiert werden, ihr Einsatz als Kommunikations- und Verbreitungsmediums, ihr Einsatz als Speicher- und Archivmedien, Mensch-Maschine-Schnittstellen und die vernetzte Computerunterstützung bei Entwurfsprozessen. Alle drei Medienaspekte werden dabei aus der Perspektive ihrer Entwicklung, im "Spiel" von innerinformatischem Diskurs und dessen sozialer Bedingtheit, gesehen.

Schon eine grobe Übersicht über die als medial etikettierten Phänomene zeigt, daß eine Einschränkung auf die Analyse des Computers als einem Kommunikations- oder Verbreitungsmedium oder auch als Speicher- und Archivmedium zu eng ist. Dies umso mehr, als man es immer mit einer Verschränkung von Vermittlung und Verarbeitung zu tun hat, wenn es darum geht, Technikfolgen zweiter Art im Sinne Spinners zu verstehen. Wir gehen wir davon aus, daß das Mediale des Computers nicht irgendwann hinzugetreten ist, sondern in der Geschichte dieser Technologie von Anbeginn an, in einem sich wandelnden Verhältnis zum Instrumentellen, aufzufinden ist. Im (historischen) Vergleich dieser beiden Momente wird die Medialität des Computers nicht nur phänomenologisch, sondern auch in seiner sozial konstitutiven Leistung zu präzisieren sein.

Unterschiedliche mediale Momente bei der Verwendung des Computers sollen betrachtet werden, die sich durch die Art der dabei vermittelten Interaktion unterscheiden. Die auffälligsten, heute zu beobachtenden Phänomene des Mediums Computer im Zusammenhang mit globalen elektronischen Netzen und Multimedia-Anwendungen lassen sich auf zwei Entwicklungslinien zurückführen, die ihren Ursprung zum einen in frühen Phantasmen eines partnerschaftlichen, ªsymbiotischen´ Verhältnisses von Mensch und Maschine haben; zum anderen in der sozialen Erfahrung der Informatiker mit einer Forschergemeinde, die sich in der Zusammenarbeit bei time sharing Systemen gebildet und zur Vision einer Computer-vernetzten Gemeinschaft geführt hat. Hieraus haben sich dann die Forschungsfelder der Benutzungsoberflächen oder human-computer interaction (HCI) und der human-computer-human interaction (HCHI) oder CMC ausdifferenziert. Für die Entwickler selbst hat sich parallel dazu, und von den mit den neuen Systemen gemachten Erfahrungen, daß ihre Produkte vielfach Umgebungen für andere Produkte sind, nicht zu trennen, die Vorstellung vom Computer in Richtung auf ein "Meta-Instrument" verändert, das zunehmend als "intelligentes" Arbeitsmittel ihre Arbeit mit der Maschine vermittelt. Diese medialen Differenzierungen — Kommunikationsmedium, Archiv, Mensch-Maschine-Schnittstelle und reflexive Vermittlung des Entwurfs — laufen im Kontext elektronischer Netze und multimedialer Anwendungen auf neuartige Weise wieder zusammen. Deutlich wird das in Konzepten der programmierten Agenten: Ein Agent ist zugleich ein Mediator im Medium eines elektronischen Kommunikations- und Informationsnetzes, wie ein interface, das eine mediale Rechnernutzung "reflektiert", und er verkörpert eine Entwurfstechnik, in der die Darstellung der Artefakte auf neuartige Weise im Sinne eines "Mediums des Denkens" und der Reflexion der eigenen Tuns fungiert (Pflüger 1997).

 

3.2.3 Technisierung des Wissens und das "Medium Computer"

In der zweiten Arbeitsphase wird der Versuch unternommen, die gewonnenen Erkenntnisse zu verallgemeinern und in einem angemessenen Begriffsapparat darzustellen. Zum einen sollen Kognitiv-Technische Artefakte der Informatik im Hinblick auf die technische Verarbeitung von Wissen, ihre eigene Wissensbasierung und die Effekte, die sie auf eine Technisierung des Wissens haben, systematisch klassifiziert werden. Für den letzten Aspekt ist dabei ein über den syntaktischen Informationsbegriff hinausgehender Wissensbegriff zu entfalten. Wissensbegriffe, die bereits in der Informatik entstanden sind, etwa im Bereich der Datenbanken oder der Künstlichen Intelligenz sollen auf ihre Tauglichkeit in diesem neuen Kontext hin untersucht werden.


Ziel ist es, zunächst für die Informatik zu präzisieren, was die Informatik mit ihren Methoden und Anwendungen zur Verschmelzung von Wissen und Technik beiträgt.
Wenn die Verschmelzung von Wissen und Technik aus Sicht der Informatik konkretisiert werden soll, steht man vor einem doppelten Problem: Als wissenschaftlich-technischer Ausgangspunkt und Träger der Verschmelzung von Wissen und Technik trägt die Informatik in ihren Anwendungen sowohl zur zunehmenden Wissenbasierung der Technik als auch zur allgemeinen Technisierung des Wissens bei. Zugleich beruhen ihre Methoden und die von ihr hergestellten Artefakte selbst auf einer Technisierung des Wissens und beinhalten immer mehr technisches Wissen. Hinzu kommt, daß das Phänomen der Technisierung des Wissen unserer Meinung nach selbst nur begriffen werden kann, wenn zwei Dinge unterschieden werden: einerseits die im weitesten Sinne verstandene technische Verarbeitung von Wissen durch Artefakte des Kognitiv-Technischen Komplexes und andererseits die Vermittlung von Wissen durch das Medium Computer. Erst beides zusammen erlaubt es, die Technikfolgen zweiter Art, die zum unterschwelligen Wandel des klassischen Wissensordnung führen, zu erklären und auf die Kognitiv-Technischen Artefakte der Informatik zurückzuführen. Doch zunächst sollen die "Einzelteile" in ihren jeweiligen Eigenheiten analysiert und beschrieben werden. Ziel ist es, zunächst für die Informatik zu präzisieren, was die Informatik mit ihren Methoden und Anwendungen zur Verschmelzung von Wissen und Technik beiträgt. In diesem Sinne müssen aus dem Blickwinkel der Informatik die drei Aspekte der technischen Verarbeitung von Wissen, der zunehmenden Wissensbasierung der Technik und der Technisierung des Wissens näher erläutert werden. Damit knüpfen wir weitgehend an die Überlegungen Spinners zu einer ªWissensordnungs-Informatik´ an, die die Technikfolgen erster und zweiter Art zur eigenen EDV-Revolution in ihre Überlegungen mit einzubeziehen versucht

 

3.2.4 Ein Medienkonzept des Computers

Die drei angesprochenen medialen Formen des Computers sollen zu einem hinreichend elaborierten Medienkonzept integriert und verständlich gemacht werden. Dazu ist eine Auseinandersetzung mit den mehr technischen Medienbegriffen, die langsam in der Informatik entstehen (Multi-Media, Agenten, elektronisches Publizieren, elektronische Bibliothek, Internet-TV, Internet-Telefonie u.ä.) und sozial- und kulturwissenschaftlichen Medienbegriffen notwendig. Dies wird im Rahmen des Projektverbundes Theorie und Geschichte der Medien geschehen.

Für eine Erklärung des Zustandekommens der veränderten Umgangsweisen und neuen Wissensformen ist ein Medienkonzept erforderlich, das die technischen Konfigurationen des Technisch-Kognitiven Komplexes der Computertechnologie mit der sozialen Dimension der Kommunikation und Interaktion vermittelt. Ein solches Konzept muß mehr leisten, als die Fülle medialer Phänomene, die dem Computer zugeschrieben werden, zusammenzufassen. Im Sinne unseres Anspruches, diesen ausgezeichneten Kognitiv-Technischen Komplex als ªKulturtechnik´ zu verstehen, muß auch die konstitutive Funktion des Mediums Computer, verstanden als technisches wie soziales Artefakt, für die ªkognitive Verfassung´ der Informationsgesellschaft erklärt werden.


Eben dieses Zusammenspiel von kognitiver und ästhetischer Reflexivität spiegelt sich im Umgang mit dem Medium Computer, insofern als hier der kognitive Aspekt des Wissenserwerbs mit der hermeneutisch-ästhetischen Dimension einer Selbstinterpretation verbunden ist.
Folgt man der Ansicht, daß sich mit dem Computer eine Kulturtechnik etabliert, die maßgeblich an der Herausbildung einer neuen Ordnung des Wissens beteiligt ist, erfordert sein Verständnis ein Medienkonzept, das in der Lage ist, die soziale wie technische Seite neuartiger Umgangs- und Einsatzweisen in Bezug auf Wissen, Information und Kommunikation zu differenzieren wie zu integrieren. Unserem Vorgehen im ersten Abschnitt des Forschungsvorhabens lag die Idee zugrunde, die Fülle des Materials medialer Phänomene zu ordnen, indem aus einer ‘archäologischen’ Sicht auf die disziplinäre Entwicklung Kriterien für eine Einteilung und Differenzierung gewonnen werden. Ein integrierendes Medienkonzept, das auch das prekäre Verhältnis des Mediums Computer zu seinen instrumentellen Momenten umgreift, muß die drei untersuchten Aspekte des Kommunikations- und Verbreitungsmediums und des Mediums der ästhetischen wie der kognitiven Reflexion in ihrem Zusammenhang beschreiben und erklären können. Dazu ist nun in einem ersten Arbeitsschritt eine kritische Aufarbeitung verschiedener auf den Computer beziehbarer Medientheorien erforderlich; eine Bewertung der vorgefundenen Ansätze wird sich daran halten, was sie von den drei medialen Aspekten erklären können und was nicht.

Für eine in einem zweiten Arbeitsschritt zu entwickelnde Medienkonzeption ist in allen Theorieansätzen, die den Medienbegriff konstitutiv verwenden, herauszuarbeiten, wie weit das "Eigensinnige" der Technik, insbesondere der Computertechnologie berücksichtigt wird. Im Hinblick auf das Mediale des Computers geht es darum, die Idealität der Artefakte in ihrer technischen Verkleidung zu suchen.

Um den Kognitiv-Technischen Komplex Computer als Medium in einem konstitutiven Sinne zu verstehen, erscheint es geboten, sich nicht auf die soziale Seite der Konstruktionshandlungen zu beschränken, sondern auch in die technischen Konzeptionen und die Logik der Artefakte einzudringen. Als Informatiker wollen wir (wie schon im ersten Abschnitt) sogar den umgekehrten Weg gehen und den Versuch machen, die konstitutive Sozialleistung des Mediums Computer, die sich nicht auf kognitive Aspekte des Wissens beschränken läßt, von den Maßgaben der Technik aus anzugehen. Das Technische begegnet uns dabei in Form intelligibler Produkte und geronnener sozialer Verhältnisse bzw. Kommunikation im weitesten Sinne - transformiert in eine "Sprache" der Artefakte. Es zeigt sich, daß es sich bei der Computertechnologie, im Sinne David Bolters, um eine ªdefining technology´ der ªHochmoderne´ handelt, die es erlaubt, disparate Erscheinungen in Wissenschaft, Kunst und Alltag gleichsam wie durch ein Brennglas gebündelt zu sehen (Bolter 1989). Umgekehrt forciert eine solche Technologie formierende Prinzipien ihrer Zeit. Sofern soziale Kategorien oft auch einen technischen Sinn haben, bedeutet dies einerseits, daß sich Mechanismen einer ªreflexiven Modernisierung´ an der Entwicklung der Informatik, aufgefaßt als ein ªExpertensystem´ im Sinne Giddens, wie in einer Laborsituation studieren lassen. Wir vermuten, daß sich die gesamte Entwicklung der Informatik im Sinne einer ªreflexiven Modernisierung´ charakterisieren läßt und daß es sich dabei um weit mehr als eine bloße Äquivokation handelt.

Andererseits werden die ªausschlaggebenden Ursachen der Dynamik der Moderne´, die Giddens angibt: ªDie Trennung von Raum und Zeit.´ ªDie Entstehung von Entbettungsmechanismen.´ ªDie reflexive Aneignung des Wissens.´ (Giddens 1995, S. 72), heute wesentlich von der Computertechnologie vorangetrieben und beschleunigt. Die fundamentale Rolle, die der Separierung von Raum- und Zeitverhälnissen und ihrer (technologisch ermöglichten) Rekombination bei der Konstitution der ªreflexiven Moderne´ zukommt, ist ohne informationstechnischen Hintergrund nicht denkbar. ªReflexive modernity though is accompanied by a re-subjectivization of space, only in a reflexive form. The subjectivization of space proceeds especially through the transformation of communications, information and transport network. The development of global cities disrupts the time-space coordinates of natural space. Also re-subjectivization takes place through the reconstitution of discursive and political public spheres.´ (Lash & Urry 1994, S. 55)

Die Dynamik der Globalisierung von Raum und Zeit wird heute sicher nirgendwo so deutlich, wie bei der explosionsartigen Ausbreitung des World Wide Web, und die Resubjektivierung dieses öffentlichen Raums wird von Erickson mit seiner Charakterisierung als ªsocial hypertext´ auf den Punkt gebracht. Dementsprechend kann die Beurteilung öffentlicher, politischer Räume künftig nicht mehr an Fragen der ªelectronic democracy´ und Problemen mit den Formen von Anonymität, die durch kryptographische Verfahren ermöglicht werden, vorbeigehen.

Die in elektronischen Netzen auftretenden Phänomene unterstützen die von Lash und Urry vorgebrachte Kritik an den Theorien von Beck und Giddens, daß beide nur eine ªkognitive Reflexivität´ im Sinne eines ªself-monitoring´ berücksichtigen. Sie insistieren dagegen darauf, daß für die Hochmoderne gleichermaßen charakteristisch eine ªästhetische Reflexivierung´ im Sinne einer Selbstinterpretation ist. (Lash & Urry 1994, Lash 1993). Eben dieses Zusammenspiel von kognitiver und ästhetischer Reflexivität spiegelt sich im Umgang mit dem Medium Computer, insofern als hier der kognitive Aspekt des Wissenserwerbs mit der hermeneutisch-ästhetischen Dimension einer Selbstinterpretation verbunden ist. Das kann als Kern von Brenda Laurels These gesehen werden, die den Computer als Theater auffaßt. Bei der Beurteilung der Technikfolgen zweiter Art im Zusammenhang mit einer Technisierung des Wissens scheint dieser Zusammenhang wichtig.

Ein Vorteil eines technisch geformten Blickes aus der Informatik auf diesozialen und kulturellen Prozesse liegt darin, daß der gesellschaftliche Blick bisher fast ausnahmslos nur die offensichtlichen Konsequenzen einer Technologie erfaßt hat - und bei deren Beurteilung auch dann noch Schwierigkeiten mit der Unterscheidung zwischen ihren "Kinderkrankheiten" und den ihr inhärenten Merkmalen bekommt.

 

3.2.5 Praktische Konsequenzen für die Disziplin

In einer anschließenden dritten Arbeitsphase, die sich über einige Zeit mit der zweiten überlappt, sollen vor allem Rückbezüge der in den beiden ersten Abschnitten gewonnenen Erkenntnisse auf die Disziplin Informatik thematisiert werden. Es geht dabei um die praktische Frage, wie die Folgen einer Technisierung des Wissens den Technikern so vermittelt werden kann, daß sie in ihrem Bereich, im Hinblick auf wünschenswerte Leitwerte der Wissensordnung, einen gewissen Einfluß auf deren ‘Gestaltung’ nehmen können. Dazu sind die beiden thematischen Stränge zusammenzuführen: Die Wissensordnung dient mit ihren Wissenszonen und Leitwerten als Raster, in dem sich die Artefakte der Informatik einordnen und im Hinblick auf Technikfolgen zweiter Art beurteilen lassen; das ausgearbeitete Medienkonzept soll eine ’Sprache’ bereitstellen, in der sich deren Wirkungszusammenhang verständlicher formulieren läßt.

Aufbauend auf den Ergebnissen zu der Fragestellung, in welcher Form die Informatik zur Verschmelzung von Wissen und Technik und damit zur Ausbildung des Kognitiv-Technischen Komplexes beiträgt, sollen Fragen der "Gestaltung" der sich im Wandel befindenden Wissensordnung aufgegriffen werden. Es ist genauer darauf einzugehen, was getan werden muß, damit Informatiker und Informatikerinnen diesen Prozeß nicht mit ignorant gutem Gewissen sich selbst überlassen, sondern ihren Beitrag für die ªEntstehung, Entwicklung und Gestaltung der kognitiven Verfassung des Informationszeitalters sowie die Wirkungsweise der Technikfolgen zweiter Art´ (an)erkennen und umsichtig wahrnehmen können. Nach Spinner liegen die am wenigsten sichtbaren, aber dafür um so tiefergehenden Technikfolgen zweiter Art in der unterschwelligen Veränderung der normativen Bestimmungen und der faktischen Bedingungen für den Umgang mit Wissen unter den neuen technologischen Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung. Diese Bedingungen der elektronischen Datenverarbeitung sind im zweiten Jahr unter dem Stichwort der "Verarbeitung von Wissen" aus Sicht der Informatik präzisiert worden. In Hinsicht auf einen veränderten Umgang mit Wissen wurde der Begriff des Wissens in seinem Bedeutungsumfang über den syntaktischen Informationsbegriff hinaus erweitert und damit auch die Technisierung des Wissens um den Aspekt der Vermittlung von anderen Wissensformen ergänzt. Diese Veränderungen sollen in den ªkonstitutiven´, ªregulativen´ und ªimplementativen´ Bestimmungen einer neuen Wissensordnung nach Maßgabe des sozial Erwünschten formiert werden.

Kernstück einer neuen, noch auszugestaltenden Wissensordnung sind die von Spinner vorgeschlagenen Wissenszonen. Diese gliedern sich in Qualitätszonen, die eine beständige Verbesserungsfähigkeit des allen zugänglichen Wissens sicherstellen, in Schutzzonen, die Abwehrmöglichkeiten gegenüber unerwünschten Informationseingriffen bereithalten, und in Verbreitungszonen, die den ungehinderten Informationsfuß gewährleisten. Hinter diesen Zonen stehen jeweils unterschiedliche ordnungspolitische Leitwerte. Für die Qualitätszonen stellt die Veränderungsfreiheit allen, auch fremden Wissens den Leitwert dar. Jenseits dogmatischer Fixierungen und politischer Zensur erschweren nach Spinner auch rechtliche Ausschlußbefugnisse durch Urheberrecht oder durch erworbene Eigentumsrechte Verbesserungsversuche innerhalb der Qualitätszonen. Für die Schutzzonen gilt der Leitwert der Beeinträchtigungsfreiheit der eigenen Position. Danach darf es keine unerwünschten oder unerlaubten Informationseingriffe geben, was insbesondere für die höchstpersönliche Meinung des Einzelnen gilt. Für die Verbreitungszonen schließlich gilt als oberster Wert die Verkehrsfreiheit der Informationsströme. Dieser Punkt schließt ausdrücklich die Gegeninformation oder Kritik ein, verbunden mit einer Chancengleichheit für beide Seiten.

An Hand dieser Matrix können Vorschläge für eine Neuorientierung der Disziplin an den Begriffen Medium und Wissensordnung in die Diskussion gebracht werden.