Literatur- und Medienanalyse Band 4  

 

Computer als Medium 
Norber Bolz & Friedrich A. Kittler & Christoph Tholen (Hrsg.) 

Wilhelm Fink Verlag 
München 1994 
ISBN 3-7705-2870-0 
68,- DM 

Vorwort 

Arsenale der Seele, Armaturen der Sinne und HardWar/SoftWar - also drei mittlerweile erschienene Versuche, Literatur- und Medienanalyse seit 1870 zu betreiben - hatten am Ende des zweiten Weltkrieges ihre Grenze und Machbarkeit zugleich.  Gerade weil die behandelten Medien bald schon Anachronismen geworden sein werden, war es möglich, ihre Geschichten zu schreiben.  Denn nicht nur die historischen Archive standen offen, sondern eine Gegenwart, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs Explosion artifizieller Intelligenzen heißt, warf ihre Begriffe als Schatten auf die untersuchten Vergangenheiten. 

Mittlerweile aber gehen technische Medien überhaupt in der Universalität von Computern auf.  Der letzte Band soll darum erstmals eine Archäologie der Gegenwart vorlegen.  Dieses fast unmögliche Unterfangen droht nicht nur an verschlossenen Archiven und undokumentierten Entwicklungen zu scheitern.  Computer sind vielmehr das einzige technische Medium, das es ohne seine Theorie gar nicht gäbe.  Die Informatik kann aber schon aus Gründen ihrer mathematischen Effizienz keine Mediengeschichte sein.  Was die hier versammelten Beiträge suchen, ist folglich eine Wissenschaft von Computern, die keine Computerwissenschaft wäre.  Sie untersucht weder Algorithmen noch Schaltkreise, sondern das Faktum, daß die Gegenwart von Algorithmen und Schaltkreisen gemacht wird. 

Diese epochale, das heißt unhintergehbare Zäsur zu bestimmen, ist das Ziel einer Spurensicherung, die Medientheorie und Mediengeschichte vereint.  Informations- und Zeichentheorie - architektonisches Gerüst von Hard- und Software - sprengen den kategorialen Rahmen einer bloß instrumentellen Definition der Technik.  Erst die universelle Programmierbarkeit der Medien läßt ihr historisches Apriori zutage treten.  Von hier aus gibt der Rückgang in die Theoriegeschichte der Rechenmaschine den Blick frei für die Verflechtung von Macht und Wissen, die nicht mehr nur Diskurse bewohnt.  Somit werden auch Geschwindigkeit und Stil einer weltvernetzenden Medienkultur beschreibbar, die dem Schema von Aneignung und Entfremdung widersteht. 

Norbert Bolz

Friedrich Kittler

Georg Christoph Tholen


Inhalt  

Vorwort der Herausgeber  7

Norbert Bolz 
Computer als Medium - Einleitung 9

I. GENEALOGIE DER UNIVERSELLEN MASCHINE 

Wolfgang Coy 
Aus der Vorgeschichte des Mediums Computer 19 

Bernhard J. Dotzler 
Nachrichten aus der früheren Weit - und Zukunft. 
Zur Programmierung der Literatur mit und nach Babbage 39 

Helmut Hoelzer 
50 Jahre Analogcomputer 69 

Jens Schreiber 
Stop Making Sense 91 

Georg Christoph Tholen 
Platzverweis. 
Unmögliche Zwischenspiele von Mensch und Maschine 111 

II. TOPOGRAPHIE DER TECHNISCHEN MACHT 

Wolfgang Hagen 
Computerpolitik 139 

Jörg Pflüger 
Ober die Verschiedenheit des maschinellen Sprachbaues 161 

Ute Bernhardt / Ingo Ruhmann 
Computer im Krieg: die elektronische Potenzmaschine 183 

Friedrich Kittler 
Protected Mode. 209 

III. SZENOGRAPHIE DER MEDIALEN KULTUR 

Geert Lovink 
Hardware, Wetware, Software 223 

Wulf R. Halbach 
Reality Engines 231 

Heiko Idensen / Matthias Krohn 
Bild-Schirm-Denken. Manual für hypermediale Diskurstechniken 245 

Volker Grassmuck 
Allein, aber nicht einsam" - die ~otaku-Generation. Zu einigen 
neueren Trends in der japanischen Populär- und Medienkultur 267 

Auswahlbibliographie 297 

Zu den Autoren 309