Jochen Koubek, Uwe Pirr

Ein systemischer Ansatz zur Beschreibung verteilter Lehrveranstaltungen

Berlin, Dezember 1999

Kurzfassung

Die zunehmende Verbilligung von Hardware und Übertragungsbandbreite ermöglicht die Finanzie-rung von Tele-Teaching-Projekten kleineren Umfangs. Die sich hierbei ergebenden Probleme sind nicht nur technischer Natur, sondern erforden auch didaktische, soziologische und kulturtheoretische Sichtweisen, wenn die Qualität der Lehre mit den technischen Möglichkeiten Schritt halten soll. Hier ist es zunächst erforderlich, ein geeignetes Modell der verteilten Lehr- und Lernverhältnisse aufzustel-len, mit dessen Hilfe Beobachtungen gebündelt und formuliert sowie Fragestellungen entwickelt und beantwortet werden können. Ein solches Modell aus systemtheoretischer Sicht wird in diesem Beitrag vorgestellt und an einem konkreten Beispiel entwickelt.

Einleitung

Computer haben sich so brachial in die Arbeits- und Alltagswelt gedrängt, daß sie in den letzten vier Jahrzehnten immer wieder als Unterrichtstechnologie ins Spiel gebracht wurden. Das Konzept der programmierten Unterweisung und des Multiple-Choice-Bogens kopierte eine Programmiertechnik &endash; noch ohne Rechner. Computerunterstützter Unterricht (CUU) mit time-sharing Rechnern geisterte durch die frühen Siebziger. Mit dem PC erlebten diese Phantasien ein Revival als Computer Based Training (CBT), das selbst im Informatikunterricht wenig bleibenden Eindruck hinterließ. Doch mit Multimedia, CD-ROM und Internet soll nun alles anders werden.

Wird alles anders? Nicht Alles, aber Vieles. Das Internet ist zum weltweiten sozio-kulturellen Expe-riment geworden. Das World Wide Web dient als Speicher von Daten, Informationen und Wissen. Das Internet wird Werbe- und Unterhaltungsmedium, aber auch multimedialer Wissensspeicher und nicht zuletzt ein offenes, weltweites Kommunikationsmedium. Schule und Hochschullehre können diese Entwicklung nicht ignorieren, wenngleich die Wirkungen zuerst in Forschung, Fort- und Weiterbildung sichtbar werden. Drei Entwicklungsstränge rechnergestützter Lehre zeichnen sich ab:

Der Einsatz von Rechnern in den Lehrveranstaltungen wird möglich, und das heißt, beim er-reichten Stand der Technik, Einsatz multimediafähiger PCs.

Mit CD-ROMs und DVDs, aber auch mit vernetzten Multimediaservern werden zeitunabhängige Formen des Telelernens möglich.

Durch zeitsynchrone Vernetzung werden ortsunabhängige Formen der Telelehre möglich.

Alle drei Entwicklungslinien stoßen auf die Nachfrage einer universitären Lehre unter den Herausfor-derungen einer Gesellschaft, deren Produktionsweise mehr und mehr von Informationserzeugung, Informationsbereitstellung und Kommunikation abhängt. Wir sind mitten in einer Umwälzung, die mit der Gutenbergschen Erfindung des Systems von Satz, Druck und Verlag vergleichbar ist und erleben den Übergang von der Gutenberg-Galaxis zu einer Turing-Galaxis.

Seit 1999 fördert der DFN-Verein ein vom Rechenzentrum und dem Fachbereich Informatik der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführtes Projekt zum Aufbau und Untersuchung von orts-und zeitversetzter Lehre: OZ-Virtueller Übungsraum.

Das OZ-Projekt ist auf eine Laufzeit von 30 Monaten beschränkt. In diesem Zeitraum soll ein Kon-zept entwickelt werden, welches die Durchführung verteilter Lehre zwischen den Standorten Berlin-Mitte und Adlershof mit möglichst geringem personellem, materiellem und zeitlichem Mehraufwand (im Vergleich zu einer ungeteilten Lehrveranstaltung) umzusetzen hilft. Neben technischen sollen insbesondere auch didaktische, kulturelle und soziale Fragestellungen berücksichtigt werden. Die For-schungsergebnisse sollen auch unter geänderter personeller Konstellation &endash; mit anderen Dozierenden und Mitarbeitenden &endash; verwertbar sein.

Ein systemisches Modell

Aus diesen Gründen müssen die Fragen, Erfahrungen und Ergebnisse, die wir während unserer Arbeit gewinnen, in einen systematischen Zusammenhang gebracht und allgemein verfügbar sein. Hierfür muß die Lehr- und Lernsituation geeignet modelliert werden, wobei die konzeptionelle Grundlage dieses Modelles als Raster dient, Beobachtungen zu bündeln und zu formulieren sowie Fragen zu ent-wickeln und zu beantworten.

Jedes Modell vereinfacht, indem es eine komplexe Realität unter der Brille seiner Annahmen sehen läßt. Wenn möglich sollten diese Modellannahmen nicht zu restriktiv sein, um nicht viele Fragen von vornherein auszuschließen. Die Erfahrung zeigt, daß derart enge Modelle in der späteren Ausformulie-rung entsprechend gedehnt werden, um eine fruchtbare Intuition in den zu engen Rahmen zu zwängen.

Ein hinreichend abstraktes Modell liefert in unserem Fall die Systemtheorie, deren theoretische Grundlagen an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden können. Näheres findet sich z.B. bei BERTALANFFY, PREWO oder LAPIERRE. Im folgenden werden wir lediglich die Grundannahmen vor-stellen, sowie unsere konkrete Umsetzung auf das OZ-Projekt. Darüberhinaus hoffen wir natürlich, daß sich die Modellannahmen auch auf andere verteilte Lehrsituationen übertragen lassen.

Nach der Systemtheorie verstehen wir die Lehrsituation als ein System, d.h. als Elemente und Struk-turen, durch welche diese Elemente verknüpft sind. Die Entwicklung eines Systems läßt sich in ver-schiedenen Phasen festhalten, welche markante Konstellationen unter einen Begriff subsumieren. Im folgenden stellen wir die von uns ausgewählten Elemente, zwei der von uns untersuchten Strukturen, sowie die Phasen einer verteilten Veranstaltung vor, um Fragen zu entwickeln, die im Laufe der Pro-jektzeit beantwortet werden sollen.

Wenn im weiteren ein Modell unserer konkreten Lehrsituation dargestellt werden soll, so geschieht dies immer in Hinblick auf die Grenzen dieses Modelles.

Die ausgewählten Elemente umfassen die an der Lehrveranstaltung beteiligte Menschen (Studierende, Lehrende, Mitarbeiter), eingesetzte Hard- und Software, die virtuelle Präsenz des Lehrenden und der Studierenden, sowie den räumlichen und zeitlichen Kontext. Um das Modell nicht unnötig zu ver-größern, haben wir bewußt auf den sozialen Kontext verzichtet. Ebenso sehen wir von dem institutio-nellen Rahmen der Universität, der Prüfungsordnung etc. ab.

Als Strukturen untersuchen wir technische, didaktische, soziale und kulturelle Strukturen, von denen die technische und die kulturelle in diesem Artikel vorgestellt werden soll. Andere Strukturen wären z.B. politische, psychologische, ökonomische, die wir aus Zeit- und Personalgründen nicht adäquat untersuchen können.

Phasen, mit denen die Systemdynamik beschrieben werden soll, umfassen: Inhaltliche Vorbereitung, Recherche multimedialer Inhalte, Ankündigung, Aufbau des technischen Rahmens, Verbindungsaufbau zwischen den Räumen, Durchführung und technische Betreuung mit Bild- und Tonübertragung unter Zugriff auf Whiteboards und Multimediarechner, Geräteabbau, Bereitstellen der Vorlesungsinhalte im Netz, Betreuung der Studierenden sowie Prüfung. Außerhalb unseres Modell liegen z.B. Phasen wie die private Nach- und Vorbereitung der Lehreinheiten, An- und Abfahrt zum Veranstaltungsort etc.

Elemente verteilter Veranstaltungen

Menschen

Studierende

An den Hochschulen gibt es seit einiger Zeit eine eher verdeckt geführte Reformdiskussion, die sich nur gelegentlich durch Streiks oder bildungspolitische Grundsatzpapiere in der Öffentlichkeit bemerk-bar macht. Tatsächlich hat sich das Studium in den letzten zwei Jahrzehnten radikal verändert. Heute studiert mehr als ein Drittel eines Jahrgangs. Leider ist die Finanzierung des Studiums schlechter gere-gelt denn je. Weniger als ein Fünftel erhält hinreichende finanzielle Förderung, so daß berufliche Tä-tigkeit neben dem Studium der Regelfall geworden ist. In der Folge ist das Vollzeitstudium zur Fiktion, zumindest aber zur Ausnahme geworden. Die Uni erhält nur noch eine zeitlich fragmentierte Aufmerksamkeit. Aber auch die disziplinäre Abschottung weicht auf. Mehr und mehr Studiengänge legen Wert auf Nebenfachausbildung &endash; zur besseren beruflichen Einsetzbarkeit oft in der Informatik. Bei den Lehrer- und Magisterstudiengängen ist die disziplinäre Mehrgleisigkeit sogar grundsätzlich geboten. Für den Informatikstudiengang der Humboldt-Universität, der neben dem Diplomstudium auch ein Magisterstudium (im zweiten Hauptfach oder als Nebenfach) und ein Lehrerstudium zuläßt, entstehen besondere Herausforderungen durch Studierende, die nur einen Teil ihrer Zeit und Aufmerksamkeit in das Studium der Informatik einbringen.

Lehrende

Gegenüber dem Lehrkörper steigt die Erwartung von Seiten der Studierenden, Politiker und der Indu-strie, praxisnaher auszubilden, als es bisher der Fall gewesen ist. Da die Ausbildungslücken der Absol-venten häufig bemängelt werden, die i.d.R. umfangreiche Zusatzschulungen nach dem Examen erfor-dern, entstehen zahlreiche Projekte, welche Computer im Lehr- und Lernbetrieb einzubinden versuchen. Tele-Teaching bedeutet nicht nur eine derartige Qualitätssteigerung, sondern erhöht auch den Wirkungsgrad der eigenen Lehrveranstaltung und kommt der zunehmenden Mobilität der Lehrenden und Studierenden entgegen. Die damit einhergehende Forderung an die Studierenden, Übungen oder Seminarvorträge computergerecht aufzubereiten, führt dazu, daß der Umgang mit Standardsoftware und Betriebssystemen, bisher Teil des verdeckten Lehrplans, in den offiziellen Lehrplan befördert wird, wodurch die Qualität von Lehre und Ausbildung, gemessen an praxisorientiertem Nutzen, merklich gesteigert wird. Während Studierende diese neuen Möglichkeiten nach unseren Beobachtungen sehr motiviert einsetzen, gibt es vor allem im älteren Kollegium auf Lehrerseite Widerstand, die eigene Lehrveranstaltung an die geänderten Medienverhältnisse anzupassen. Nach dem Motto "It's hard to teach an old dog new tricks" überwiegt bei vielen die Befürchtung des Mehraufwandes, der insbeson-dere in der experimentellen Gründungsphase des Tele-Teaching den unmittelbar absehbaren Nutzen überwiegt.

Mitarbeiter

Das Leitmotiv unseres Projektes ist Alltagstauglichkeit. Dies heißt insbesondere, daß wir uns darüber im klaren sind, daß eine Lehrveranstaltung auf Dauer nicht von drei Mitarbeitern betreut werden kann. Ein derartiger Personalaufwand würde die Übertragbarkeit unseres Konzeptes auf andere Lehrveran-staltungen bei den allgemein knappen Budgets unmöglich machen, was zur Folge hätte, daß nur einige wenige Kernveranstaltungen in verteilter Lehre angeboten würden. So wichtig in der Anfangsphase die Regulierung und Einstellung technischer Übertragungsparameter (s.u.) ist, so wichtig ist es, die Vorbe-reitung und Durchführung auf Dauer von diesen Fragen zu lösen und einen minimalen personellen Aufwand anzustreben. Im Idealfall bedarf eine Lehrveranstaltung, die innerhalb der von uns vorberei-teten Räume stattfindet und keine zusätzliche Hardware erfordert, neben dem Leiter keinen zusätzlichen Betreuer, ausser evtl. einer Person, welche die Tür zum Virtuellen Übungsraum auf- und abschließt und die Geräte ein- und ausschaltet; selbst hierfür ließen sich Verfahren und technische Lösungen entwickeln, welche von den Studierenden selbständig durchgeführt werden können.

Hardware

Die Standorte Berlin-Mitte und Berlin-Adlershof sind mit Standard-Hardware für die Studierenden, sowie raumbezogenen Steuerrechnern für die Übertragung ausgestattet. In beiden Räumen sind je zwei Daten- und Videoprojektoren installiert, die auch jeweils ein interaktives (als Touchscreen aufgebautes) Whiteboard enthalten. Zudem sind wechselseitige Video- und Audioübertragung vorgesehen. In Berlin-Mitte wird der Raum durchgängig als Rechnerraum genutzt, in Adlershof mußte eine flexible Anordnung gefunden werden. Eine genaue Beschreibung des technischen Aufbaus findet sich weiter unten im Abschnitt "Technischer Rahmen".

Software

Die eingesetzte Anwendungssoftware ist Standardsoftware, die abhängig von der jeweiligen Lehrver-anstaltung ausgewählt wird. Ab dem WS1999/2000 wird zusätzlich ein Versuch mit einem grafischen MUD (multiple user dimension) für Ausbildungszwecke, also einem virtuellen, interaktiven Diskussi-onsraum begonnen.

Im Projekt sind bewußt Standardsoftware und Geräte der PC-Klasse gewählt worden, um den ange-sichts der finanziellen Lage der Hochschulen einzig möglichen Weg zum alltäglichen Einsatz solcher Technik zu finden. LoTech ist dabei notwendigerweise der Vorzug vor HiTech zu geben, wobei wir den glücklichen Umstand nutzen, daß die Leistung neuer PCs in etwa der Leistung der Workstations vor drei oder vier Jahren entspricht. Beim Softwareeinsatz haben wir, soweit dies möglich war, auf konfigurationsspezifische eigene Entwicklungen verzichtet und statt dessen kommerzielle Standard-software (oder free- und share-ware) eingesetzt. Hier kommt uns die Marktentwicklung spürbar entge-gen. Nur für einige wenige Zwecke mußten wir eigene Lösungen entwickeln.

Virtuelle Präsenz

Wichtiges, wenn nicht wesentliches Element einer verteilten Lehrveranstaltung ist die Video- und Audio-Übertragung des Vortragenden und die der Studierenden. Beide Seiten sehen und hören die jeweils andere als Projektion in Bild und Ton. Diese Projektion bezeichnen wir als virtuelle Präsenz, und ihr kommt bei unserer Untersuchung besondere Aufmerksamkeit zu: um nicht-technische Unter-schiede und Gemeinsamkeiten zwischen direkter und verteilter Lehre zu finden, muß die Wirkung dieser Projektionen auf alle Beteiligten thematisiert und in Konzeption und Durchführung eingeplant werden. Sowenig wie Kino lediglich gefilmtes Theater war, so wenig ist eine verteilte Vorlesung le-diglich eine gefilmte Vorlesung.

Kontext

Kontext meint Ort und Zeit einer Veranstaltung: die Auslagerung der Informatik an den neuen Standort Berlin-Adlershof, an dem künftig auch alle Naturwissenschaften der HU untergebracht werden, er-schwert die Studiensituation erheblich. Magister- und Lehramtsstudierende sind gezwungen, nach Adlershof zu fahren, müssen aber weiterhin den überwiegenden Teil ihrer Veranstaltungen in Berlin-Mitte wahrnehmen. Aber auch Diplomstudierende der Informatik müssen für ihr Nebenfachstudium häufig zum Zentralbereich der Universität in Berlin-Mitte fahren.

Zwei Standorte, die durch eine gute Stunde Fahrzeit getrennt sind, erzeugen einen hinreichenden Druck auf die herkömmliche Studiensituation, um technische Lösungen im Netzbetrieb zu suchen.

Strukturen

Strukturen beschreiben die Verbindung zwischen den Elementen. Grundsätzlich gibt es in jedem Sy-stem mehrere Strukturen, die sich überlagern. Obwohl sie sich gegenseitig beeinflussen, können sie aus analytischer Sicht getrennt behandelt werden, wobei jeweils der Einfluß aufeinander zu berücksichti-gen ist. Da unsere technische Ausstattung erst zum Wintersemester 1999/2000 vollständig ist, lag unser bisheriger Schwerpunkt auf Fragen zur technischen Struktur. In den kommenden Semestern soll jeweils ein Forschungsschwerpunkt auf eine weitere Struktur gelegt werden: kulturelle, didaktische, soziale Struktur. Der technische Rahmen sowie Fragestellungen zur kulturellen Struktur werden im folgenden vorgestellt.

Technischer Rahmen

Räume

Der verwendete Raum in Berlin-Mitte kann neben den ortsverteilten Vorlesungen als Rechnerarbeits-platz genutzt werden. Die Einrichtung bleibt unverändert. Der Raum in Adlershof wird dagegen auch für Besprechungen, Arbeitsgespräche und Seminare ohne Rechner genutzt. Dadurch unterscheiden sich die Räume in ihrer Ausstattung: Mitte mit festinstallierter Technik, Adlershof hochgradig flexibel, also Notebooks als Arbeitsplatzrechner, Steuerrechner und Projektoren sind fahrbar und für schnelle An-schlüsse vorbereitet.

Netze

Beide Räume sind in der strukturierten Verkabelung über aktive Netztechnik mit Fast-Ethernet ange-bunden. Die in Berlin-Mitte als Arbeitsplatzrechner und als Steuerrechner eingesetzten PowerPC-Geräte verfügen über 10/100 Mbit-Ethernet-Karten, die Notebooks am Standort Adlershof verfügen derzeit nur über 10 Mbit-Ethernetanschlüsse.

Arbeitsplatzrechner

Die am Standort Mitte eingesetzten Rechner sind PowerPCs vom Typ iMac. Sie werden unter MacOS 9 betrieben. Durch die hierin integrierte QuickTime Systemarchitektur ist die Unterstützung von Vi-deo- und Audiodaten relativ einfach zu realisieren, was bei den Arbeitsplatzrechnern neben der ver-wendeten Videokonferenzsoftware auch für die vorlesungsspezifischen Anwendungsprogramme not-wendig ist. Die Arbeitsplatzrechner in Adlershof sind Macintosh Powerbook G3. Auch sie werden unter MacOS 9 betrieben. Beide Rechnertypen verfügen über Audio-Ein- und Ausgabemöglichkeiten und sind aufgrund der speicherintensiven Anwendungsprogramme mit mindestens 128 MB Hauptspei-cher ausgestattet.

Steuer- und Vorlesungsrechner

Auch die Steuerrechner sind PowerPCs unter MacOS 9. In der endgültigen Ausbaustufe sind für jeden Raum zwei Steuer- und Vorlesungsrechner vorgesehen. Im Sommersemester 1999 erfüllte ein Rechner beide Aufgaben, da die Audioübertragung bisher direkt von den Arbeitsplatzrechnern erfolgt. Die Au-dioübertragung und insbesondere die Aufbereitung der Signale wird einer der Steuerrechner überneh-men. Die Videosignale aus den jeweiligen Räumen werden vom Steuer-/Vorlesungsrechner digitalisiert und übertragen. Hierzu ist der Rechner mit einer Framegrabber-Karte ausgestattet, Erweiterungen mit digitalen Videosignalen über eine Firewire-Schnittstelle (IEEE 1394) sind vorgesehen.

Mit dem Vorlesungsrechner präsentiert der Vortragende sein Material, er kann aber auch die Projek-tion steuern, d.h. er kann beispielsweise den Bildschirminhalt eines Arbeitsplatzrechners projizieren und so allen Studierenden sichtbar machen.

Projektion

Beide Räume sind mit jeweils zwei Daten- und Videoprojektoren mit einer Auflösung von 1024*768 Bildpunkten ausgestattet. Hiermit können die Bild der Steuer- und Vorlesungsrecher, also der Vi-deostrom aus dem jeweils anderen Raum, das Vorlesungsmaterial oder, über eine Softwaresteuerung, der Bildschirminhalt eines Vorlesungsrechners, projiziert werden. Die Projektion kann auch auf jeweils ein Whiteboard erfolgen. Es ist mit elektronischen Farbstiften beschreibbar, so können die Präsentatio-nen aus beliebigen Programmen während der Vorlesung mit Anmerkungen und Notizen versehen wer-den, die abgespeichert werden können. Außerdem ist eine interaktive Steuerung der Programme direkt vom Whiteboard möglich. Der Vortragende braucht nicht am Steuerrechner zu sitzen.

Audio

Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist bei der Übertragung und Wiedergabe von Audio die Qualität besonders kritisch. Im Sommersemester 1999 erfolgte die Aufnahme und Wiedergabe direkt durch die Arbeitsplatzrechner mit den eingebauten Mikrofonen und Lautsprechern. Diese Lösung überzeugte nicht, insbesondere durch schlechte Aufnahme- und Aussteuerungsqualität. Die Qualität der Aufnahme soll durch höherwertige externe Mikrofone an jedem Rechnerarbeitsplatz verbessert werden. Neben einem automatischen Audio-Mischverstärker soll eine rechnergestütze Audiomischung untersucht werden. Die Audiosignale werden an den einzelnen Rechnern aufgenommen und vom Steuerrechner geregelt und gemischt und dann in den jeweils anderen Raum übertragen. Dort werden die Audiosi-gnale vom Steuerrechner über Aktivboxen ausgegeben.

Video

Bisher werden die Videosignale von einer 3CCD-Kamera aufgenommen, analog in den Steuerrechner eingespeist und dort digitalisiert. Dies ist ein rechenintensiver Vorgang, der den Steuerrechner merk-lich belastet. Inwieweit hierbei die Verwendung digitaler Videosignale über eine Firewire-Schnittstelle (IEEE1394) Verbesserungen bringt, wird derzeit untersucht. Außerdem soll im weiteren Projektverlauf die Einspielung mehrerer Videosignale an den einzelnen Arbeitsplatzrechnern untersucht werden. Hier können aus Kostengründen nur einfache "Webcams" verwendet werden. Ein derartiges Vorgehen be-dingt eine zusätzliche Videosteuerung und -mischung, beispielsweise auf den Steuerrechnern.

Software

Auch beim Softwareeinsatz ist zwischen Arbeitsplatz und Steuer-/Vorlesungsrechner zu unterscheiden. Auf den Arbeitsplatzrechnern wird die vorlesungstypische Software eingesetzt. Das ist in unserem Fall Software aus dem Bereich der Digitalen Medien, wie beispielsweise Word, Powerpoint, Netscape Navigator, Photoshop für Bildverarbeitung, Illustrator für Vektorgrafik, Audiosoftware oder Premiere für digitales Video. Zusätzlich wird Konferenzsoftware, wie Cooltalk und Timbuktu verwendet. Auf den Steuer-/Vorlesungsrechnern wird Steuerungssoftware für Audioübertragung und für die Projekti-onssteuerung zusätzlich betrieben. Obwohl in der bisherigen Konfiguration, unter anderem aus Stabi-litäts- und Ergonomiegründen, ausschließlich Rechner unter MacOS eingesetzt werden, ist die verwen-dete Software auch für Windows-Systeme verfügbar, so daß die Softwarekonfiguration weitgehend übertragbar ist.

Kulturelle Bedeutung von realer und virtueller Präsenz

Der technische Rahmen wurde erst vor wenigen Wochen soweit fertiggestellt, daß verteilte Lehrveran-staltungen in vollem Umfang erst ab diesem Semester durchgeführt werden können. Insofern liegen noch keine Untersuchungen oder Gliederungen zur kulturellen, didaktischen oder sozialen Struktur vor. Zur kulturellen Struktur, Forschungsschwerpunkt im anstehenden Semester, möchten wir einige Fragen skizzieren, welche die Beobachtung leiten:

Als kulturelle Struktur bezeichnen wir Beziehungen von Bedeutungen und Bewertungen, welche Menschen ihrer Umwelt zuweisen. Diese Zuweisung findet immer statt vor dem historischen Horizont der Kulturgeschichte und ist untrennbar verknüpft mit Erziehung und Sozialisation innerhalb eines bestimmten Kulturkreises, der verwendeten Sprache, der Bezugsgruppen usw., kurz: dem kulturellen Gedächtnis.

Kulturtheoretisch liegt diesen Überlegungen ein semiotischer Kulturbegriff zugrunde, wie er u.a. von CLIFFORD GEERTZ, JAN ASSMANN und KLAUS HANSEN untersucht wird. Für Elemente und Strukturen unseres Modelles stellen sich jeweils die Fragen: "Welche Bedeutung hat dieses Element/diese Struktur für die Lehrenden/Studierenden/Mitarbeitenden?", "Läßt sich eine kulturhistorische Entwicklung und Veränderung dieser Bedeutung aufzeigen?", "Wie wirkt sich die Bedeutung auf Handlungen aus?" etc.

Konkret angewandt auf die Elemente "virtuelle Präsenz" formulieren sich diese Fragen: "Welche Be-deutung hat die virtuelle Präsenz für die Lehr- und Lernsituation?", "Wie wichtig ist das übertragene Bild? Der übertragene Ton?", "Wie reagieren alle Beteiligten auf die Tatsache, lediglich technisch-medial vermittelt in Kontakt zu sein?", "Wie reagiert ein Prüfer auf Studierende, die direkt/virtuell anwesend waren?", "Wie ändert sich die kulturhistorisch gewachsene Beziehung zwischen Lehrer und Schüler, z.B. in Bezug auf Prägung des Lernenden durch die Präsenz des Lehrenden (der von BENJAMIN beklagte Verlust der Aura) oder durch abgeschwächte Sanktionsmacht des Lehrenden (Schlagwort: von der Prügelstrafe zum Weg-zappen)?" Wie wird eine verteilte Vorlesung von Studie-renden im Vergleich zu einer nicht-verteilten benannt und gewertet? In welchem Bedeutungs-Kontext stehen diese Attribute?

Der Lehrende muß eine Form des Umgangs mit den virtuell Anwesenden finden. Ein falscher Weg wäre es, die Unterschiede zu leugnen und Gleichbehandlung anzustreben. Auf direkt anwesende Stu-dierende wird der Lehrende immer einfacher, schneller und angemessener reagieren können, als auf Video- und Audioprojektionen. Aber auch die Studierenden müssen ihre Form des Umgangs finden: so ließ sich beispielsweise beoabachten, daß zunächst die Faszination des Neuen die Studierenden zu erhöhter Aufmerksamkeit motivierte. Bemerkungen wie "Wann kommt der Mann mit dem Eis?" oder "Was läuft im Vorfilm?" zeigen, daß auch bei Studierenden die Tendenz vorherrscht, gewohnte Re-zeptionsweisen auf das neue Medium zu übertragen. Dies ist insofern problematisch, als daß Tele-Teaching nicht mit einer Fernseh- oder Kinoproduktion verglichen werden kann und, wenn ja, dem Vergleich nicht standhält. Da wir unter der Prämisse der Alltagstauglichkeit auf regiegesteuerte Aus-wahl aus mehreren Kameraperspektiven verzichten, übertragen wir über die Dauer der Lehrveranstaltung das Bild des Lehrenden in einer festen Einstellung. Weder Beleuchtung, Schärfe, Zoom oder Kamerawinkel werden dabei verändert. Das visuelle Spektakel moderner Fernsehproduktionen als Vergleich vor Augen, beschäftigten sich die Studierenden nach wenigen Minuten daher mit andern Reizen, insbesondere mit den zur Verfügung stehenden Computern, um ihre Abwechslung im Internet zu suchen. Begleitet wurde dies mit Fragen wie "Was läuft auf anderen Kanälen?" oder "Wann kommt die Werbeunterbrechung?". Die Bedeutungsübertragung vom gewohnten Fernsehbild auf die unge-wohnte Lehrsituation muß explizit angespochen werden, um frühzeitig Verarbeitungs- und Wahrneh-mungsstrategien zu ändern, nicht zuletzt, weil eine dem Fernsehen angemessene reduzierte Aufmerk-samkeitsspanne sich im Tele-Teaching kontraproduktiv auf den Lernerfolg auswirkt. Auf der anderen Seite muß eine Umstrukturierung der Vorlesung eingeplant werden, um den veränderten Medien- und Wahrnehmungsverhältnissen Rechnung zu tragen.

Als Untersuchungsmethoden steht uns das Instrumentarium der empirischen Sozialforschung zur Verfügung: sowohl quantitativ mit Fragebögen und Anwesenheitsstatistiken, als auch qualitativ mit Tiefeninterviews und teilnehmender Beobachtung. Eine Systematik der Darstellung kann sich erst nach Auswertung der Ergebnisse ergeben.

 

Dynamik: Phasen einer verteilten Lehr-Veranstaltung

Für die Durchführung einer Veranstaltung ergeben sich deutliche Mehrarbeiten, zum Teil durch eine Verbesserung der Lehrqualität gerechtfertigt, zum größeren Teil aber dem Umfang des notwendigen Geräteeinsatzes, aber auch dem Stand der Technik geschuldet. Dies läßt sich in Phasen einer Veran-staltung im Projekt erkennen.

Inhaltliche Vorbereitung

Bei der inhaltlichen Vorbereitung einer Veranstaltung sollte von vornherein berücksichtigt werden, daß es sich um eine computergestütze Veranstaltung handeln wird. Notizen und skriptähnliche Nieder-schriften können als Web-Seiten vorbereitet werden, so daß sie nach der Veranstaltung nicht umforma-tiert werden müssen. Die Veranstaltungseinheiten sollten derart gegliedert werden, daß die neuen Me-dien aktiv genutzt werden. Diskussionen und Rückfragen werden i.d.R. länger dauern, weil die Koordination zwischen beiden Standorten eine eigene Regelung erfordert, um nicht zwei parallele Diskussionen zu führen oder die Studierenden am entfernten Standort von der Teilnahme abzuschrek-ken. Auch kann der Einsatz der Computer Teil der Veranstaltung werden, insbesondere dann, wenn der Umgang mit einer Standardsoftware vermittelt werden soll, z.B. bei Programmieraufgaben, Daten-bankdesign, Kompressionsalgorithmen etc. Die Tatsache, daß sich theoretisches Verständnis durch praktischen Umgang festigen muß, läßt sich zum integrativen Bestandteil einer Lehrveranstaltung machen, welche die klassische Trennung z.B. von Vorlesung und Übung lockert.

Recherche multimedialer Inhalte

Schon immer wurden in Lehrveranstaltungen verschiedene Medien eingesetzt: Sprache, Texte, Bilder und Folien, Tafel, Tondokumente etc. Der wesentliche Unterschied zur verteilten Veranstaltung liegt darin, daß in dieser vorrangig Medien in digitalisierter Form genutzt werden, was mit der Übertra-gungsmöglichkeit zusammenhängt: Während Overhead-Folien abgefilmt und nur als schlecht-belichtetes Videobild übertragen werden können, wird dieser Qualitätsverlust durch Vorbereiten am Rechner vermieden. Ähnliches gilt für Ton- und Filmdokumente. Insbesondere letztere lassen sich bei einer Übertragungsgeschwindigkeit von derzeit 5-10 Frames/s nicht sinnvoll in analoger Form einbe-ziehen. Aufgrund unserer Prämisse der Alltagstauglichkeit verzichten wir bewußt auf eine Reservierung von Bandbreite durch das Rechenzentrum, so daß wir z.Zt. mit 0.5-1.5Mbit/s auskommen müssen.

Auch Texte eines Seminar-Handapparates können durch geeignete OCR-Software in computerlesbarer Form &endash; das heißt vor allem mit den Möglichkeiten der Volltextsuche &endash; in einer webangebundenen Datenbank angeboten werden. Bei der heutigen Qualität der OCR-Software ist dafür ein z.T. erhebli-cher Bearbeitungsaufwand einzuplanen.

Die Forderung, ein vollständiges und ausführliches Skript zu der jeweiligen Lehrveranstaltung anzu-bieten, müssen wir ebenfalls mit Blick auf die Alltagstauglichkeit einschränken, weil der Anspruch, zu jeder verteilten Veranstaltung quasi ein begleitendes Buch zu schreiben, den Vorbereitungsaufwand derart in die Höhe treiben würde, daß wiederum nur Kernveranstaltungen verteilt angeboten würden.

Ankündigung

Die Ankündigung einer Veranstaltung sollte von Anfang an im Internet erfolgen, d.h. durch Web-Site, evtl. Anmeldemöglichkeiten etc. Auch sollte bereits in der Ankündigung auf den verteilten Charakter hingewiesen werden. Hier kann eine einheitliche und einprägsame Namensgebung benutzt werden, um die Attributierung normale Vorlesung/verteilte Vorlesung (anomale Vorlesung? schlechtere Vorle-sung?) zu vermeiden.

Realer, nicht-virtueller Kontakt wird auch in Zukunft nicht an Bedeutung verlieren. Virtuelle Präsenz kann direkte Präsenz nicht dauerhaft ersetzen. Deswegen versuchen wir, zumindest in einer Veranstal-tungseinheit direkte Präsenz zu erreichen, i.d.R. in der ersten oder letzten eines Semesters. Der Unter-schied zwischen direkter und verteilter Lehre muß allen Beteiligten von der Ankündigung an bewußt sein. Da Tele-Teaching für alle Beteiligten noch eine neue Erfahrung ist, hoffen wir, daß diese Unter-schiede in Zukunft ebenso zum kollektiven Gedächtnis gehören, wie z.B. die zwischen den Veranstal-tungstypen Seminar und Vorlesung.

Aufbau des technischen Rahmens

Ziel ist es, die Aufbauzeiten möglichst gering zu halten. Im Standort Mitte wurde dafür ein spezieller Raum eingerichtet, in welchem Steuerrechner, Projektoren und Lautsprecher fest installiert sind, so daß praktisch keine Aufbauzeit mehr anfällt. Da in Adlershof lediglich ein Mehrzweckraum zur Verfügung steht, wird der technische Rahmen auf einen Wagen montiert, der zu Beginn der Veranstaltung in den Raum gerollt werden kann.

Verbindungsaufbau zwischen den Räumen

Dies ist die technisch sensibelste Phase, in der sich z.Zt. noch erhebliche Anforderungen an Synchroni-sa-tion und Abstimmung ergeben, von der Wahl der Video-Codecs bis zur Lautstärkenregelung. Der Teuf-el steckt auch hier im Detail: so steuert sich z.B. das Audiomodul der von uns verwendeten Über-tragungssoftware Cooltalk automatisch auf den lautesten Impuls aus. Sollte der Vortragende einmal zu laut in das Mikrofon sprechen oder husten, wird im Anschluß die gesamte Übertragung zu leise, so daß eine manuelle Nachregelung notwendig ist. Dieses und viele andere Probleme erfordern die Anwesenheit einer technischen Betreuung, welche der Forderung nach Alltagstauglichkeit durch Personalminimierung entgegensteht.

Durchführung und technische Betreuung mit Bild- und Tonübertragung unter Zugriff auf Whiteboards und Multimediarechner

Während für die übrigen Phasen technisch bedingte Reibungsverluste weitgehend minimiert werden sollen, stellt sich bei der Durchführung die Frage, inwiefern sich Lehrveranstaltungen durch den ver-teilten Charakter verändern. Die Mediengeschichte lehrt zwar, daß immer zu kurz greift, wer ein neues Medium mit den Konzepten der alten zu fassen versucht, dennoch bleibt die Frage offen, welche neuen oder veränderten Konzepte tragfähig sind, um die neuen Verhältnisse zu beschreiben. Hier kommt vor allem der Umgang mit der oben so genannten virtuellen Präsenz in den Blick.

Geräteabbau

Ähnlich wie beim Aufbau unterscheiden sich auch hier beide Standorte erheblich voneinander: während in Mitte lediglich die Geräte auszuschalten und der Raum abzuschließen ist, müssen in Adlershof Kabel und Geräte aus dem Raum entfernt werden.

Bereitstellen der Vorlesungsinhalte im Netz

Im Idealfall würde der übertragene Audio- und Videostream auf einem Streaming-Server bereitgestellt und mit den eingesetzten Medien (Bilder, Filmausschnitte) derart synchronisiert, daß jede Lehreinheit jederzeit verfügbar ist. Da Speicherplatz und Bandbreite für eine derartige Lösung derzeit zu kosten-aufwendig wären, müssen wir uns auf die Aufzeichnung des Audiostream beschränken, bzw. Kurzskripte mit entsprechenden Links als Web-Site anbieten.

Betreuung der Studierenden

Wenn die Entfernung von Berlin-Mitte zu Adlershof ein wesentlicher Anreiz für die Studierenden darstellt, Tele-Teaching im Experimentierstadium mitzugestalten, so müssen auch Sprechstunden ver-teilt angeboten werden. Hier bietet sich der Einsatz von Videokonferenz-Techniken an, wie sie schon für die Lehrveranstaltungen genutzt werden. Allerdings läßt sich der technische Rahmen an beiden Standorten auf je ein Notebook mit Aufsteckkamera und Netzverbindung beschränken. Der wesentliche Unterschied zum Telefongespräch liegt im Eindruck der virtuellen Präsenz, die durch das übertragene Videobild erzeugt wird.

Prüfung

So angenehm die Vorstellung ist, die reine Lehre als Sandkastensituation zu betrachten, so sind wir uns doch im Klaren, daß die Notwendigkeit des Scheinerwerbs zur Examensqualifikation ein wesentlicher Anreiz für Studierende ist, eine Lehrveranstaltung regelmäßig zu besuchen. Die häufigen Fragen nach der Prüfungsrelevanz einzelner Lehr- und Übungseinheiten erinnert uns immer wieder an den studentischen Alltag. Insbesondere muß berücksichtigt werden, inwieweit das Prüfungsverhalten von Prüfenden und Studierenden durch die virtuelle Anwesenheit beeinflußt wird, sowohl bei mündlichen als auch bei schriftlichen Prüfungen.

Aussicht und Schluß

Multimediale Technik zeigt sich im Alltag als sinnvolle Ergänzung für Inhalte und für den Betrieb. Dies wirkt natürlich in jedem Fach verschieden. Da, wo bisher Tafel und Overheadprojektor der sinnli-chen Anschauung helfen sollten, eröffnet sich eine Fülle neuer Möglichkeiten - Bewegtbild, Anima-tion, Ton ergänzen Grafik und Anschrieb. Vortrag und Vorlesung im wörtlichen Sinne treten in den Hintergrund. In der Informatiklehre wird die selbstverständliche Forderung, in Vorlesung und Übung Rechner im Betrieb zu zeigen, also Bildschirm und Tastatur bereit zu stellen, endlich selbstverständ-lich.

Vernetzung wirkt auf zwei Weisen. Die Welt wird in die Veranstaltungen geholt, vor allem als Aus-schnitte aus dem World Wide Web, aber auch als Intranetspeicher multimedialer Artefakte. Doch wich-tiger noch: Die Veranstaltung kann in die Welt hinaus. In unserem Falle geht das zwar nur als Intranet vom Informatikgebäude in Berlin-Adlershof zum Seminargebäude in Berlin-Mitte. Aber: Dies ist eine gute Stunde Entfernung mit der S-Bahn.

Es soll jedoch nicht verschwiegen werden, daß die Reformdiskussionen der letzten Jahrzehnte nicht unbegründet waren: Die Lehre gewinnt durch die intensivere Betreuung und Vorbereitung, die durch ein Forschungsprojekt nun einmal erfolgt. Kleinere Gruppen pro Betreuer sind ein unübersehbarer Vorteil: It's not (only) the technique, it's the size.

Kontaktadresse

JOCHEN KOUBEK

Humboldt-Universität zu Berlin

Institut für Informatik

Rudower Chaussee 25

12489 Berlin

koubek@informatik.hu-berlin.de

 

UWE PIRR

Humboldt-Universität zu Berlin

Rechenzentrum, Multimediaservice

Unter den Linden 6

10099 Berlin

pirr@rz.hu-berlin.de

Literatur

ASSMANN, JAN: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München 1999.

V. BERTALANFFY, LUDWIG: General System Theory. New York 1968.

GEERTZ, CLIFFORD: Dichte Beschreibungen. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt/M 1995(1983).

HANSEN, KLAUS P.: Kulturbegriff und Methode. Der stille Paradigmawechsel in den Geisteswissen-schaften. Tübingen 1993.

LAPIERRE, JEAN-WILLIAM: L'analyse de systèmes. L'application aux sciences sociales. Paris 1992.

PREWO, RAINER; RITSERT, JÜRGEN; STRACKE, ELMAR: Systemtheoretische Ansätze in der Soziologie. Eine kritische Analyse. Hamburg 1973.