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Vernetzung als kulturelles Paradigma

Kapitel

1. Die Kategoriale Dimension:
Grundbegriffe
Ein kulturtheoretischer Ansatz, in dem die massenhafte Thematisierung und Interpretation der Welt unter dem Aspekt der Vernetzung in einen mentalitätshistorischen Rahmen gestellt wird.

2. Die historische Dimenstion:
Die Vernetzung der Welt

Anhand der Geschichte des Internet läßt sich zeigen, wie die Grund-Idee einer dezentralen Vernetzung ihren Weg in die technische Implementierung und durch die Anwendungen letztendlich wieder herausgefunden hat. 'The Medium is the Message', bzw. Technik als Medium wären hier wichtige Stichpunkte. Der Ansatz ist technikhistorisch.

3. Die soziale Dimension:
Die Vernetzung von Spielwelten
Hier würde ich die Menschen betrachten, die sich ganz dem Computer und dem Computernetz verschreiben. Eine solche Ausrichtung der eigenen Welt bleibt nicht folgenlos und so lassen sich aus der Lebenswelt dieser Menschen vielerlei Rückschlüsse ziehen auf die Technik, mit der sie sich umgeben.

4. Die Dimension der Zeit:
Die Vernetzung der Zukunft

Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Zukunft mit Schwerpunkt der Jahre 1993-2001. Das Internet spielt in diesen Jahren die Rolle einer Projektionsfläche, auf der Zukunfstwünsche und Ängste, Hoffnungen und Befürchtungen projiziert wurden, nachdem sie durch den Fall der grossen Sozial-Utopien Ende der 80er einige Jahre in einem ideologischen Vakuum hingen.

5. Die Dimension des Raums:
Die Vernetzung des Raums
Ein wesentliches Strukturmerkmal von Raum ist seine Verdichtung in zentralen Orten. Ein solches Zentrum ist immer Zentrum für einen Handlungszweck. Das Internet verändert diese Struktur, indem es Daten-, Informations- und Wissenstätigkeiten in den digitalen Raum aufhebt.

Zusammenfasung

Der Internet-Boom der 90er Jahre wurde von zahllosen Veröffentlichung begleitet, in denen Auswirkungen der globalen Vernetzung auf Kultur und Gesellschaft, auf öffentliches und privates Leben prognostiziert wurden. Politiker, Manager, Wissenschaftler, Journalisten etc. versuchten, Entwicklungslinien vorzuzeichnen um die Zukunft zu skizzieren. Sie richteten sich dabei sowohl an ein Fachpublikum als auch an die interessierte Öffentlichkeit. Dabei divergieren die Entwürfe erheblich voneinander und decken ein breites Spektrum ab, von optimistischen Technikeuphorien bis zu kulturpessimistischen Verfallsszenarien.

In meiner Arbeit gehe ich von der Frage aus, wie dieser Boom, diese Welle von Publikationen, Filmen, Ausstellungen etc., kurz, dieses ungeheure Ausmaß kultureller Produktion zu erklären ist. Dabei versuche ich nicht, den Entwürfen einen Weiteren entgegen zu setzen, es geht nicht um den Blick auf die immer ungewisse Zukunft sondern um die Gegenwart (dabei u.a. aber um die Konstruktion der Zukunft in der Gegenwart): Welche kulturellen Strukturen scheinen durch diese Diskursproduktion durch? Es geht um Freilegung von Produktionsbedingungen, unter denen kulturelles Handeln erst möglich wird. Als Beispiel wähle ich die kulturellen Auswirkungen des Internet.
Dazu entwickle ich im ersten Kapitel einen begrifflichen Rahmen um das Konzept der Wahrnehmungsdimension und das des kulturellen Paradigmas. Ohne die Begriffe an dieser Stelle näher erläutern zu wollen, lautet die Kernthese der Arbeit (S. 56): „Vernetzung ist eine Wahrnehmungsdimension, die sich, katalysiert durch das Internet, zu einem kulturellen Paradigma ausgeweitet hat.“ Die weiteren Kapitel entfalten diese These.

In Kapitel 2 zeige ich anhand der historischen Entwicklung des Internet, in welchem Entwurfsstadium die Idee der Vernetzung in die technische Implementierung einfloss. Damit wird zum Einen Vernetzung als Wahrnehmungsdimension vor einen geschichtlichen Horizont gestellt, zum Anderen lässt sich am konkreten Beispiel des Internet die Wechselwirkungen von Weltbild und Technik andeuten, die ihr gesellschaftskulturelles Transformationspotenzial unterstreicht ohne einem Technikdeterminismus zu verfallen.
Nach den historischen Wurzeln der Netzdiskurse untersuche ich die paradigmatische Kraft der Dimension der Vernetzung.

Im Mittelpunkt von Kapitel 3 steht die mediale Implementation des Computers, die sich notwendig in einem Computernetz fortsetzt. Ausgehend von McLuhans Annahme, dass Technik ihre Benutzer unabhängig vom konkreten inhaltlichen Gebrauch prägt, schließe ich im Umkehrschluss von diesen Nutzern auf die technischen Bedingungen.

Als Untersuchungsgruppe wählen ich die Menschen, die Computer in ihren Lebensmittelpunkt stellen: Hacker, Cracker, Cyberpunks und Computer-Spieler. Dies geschieht in der Hoffnung, die Rezeptionsbedingungen des Computers besonders deutlich herausarbeiten zu können. Der ethnologische Blick auf eine Teilkultur erprobt gleichzeitig die begrifflichen Grundlagen des ersten Kapitels und zeigt, dass das Konzept der Wahrnehmungsdimension zur Beschreibung von Gemeinsamkeiten in der Mentalität und das der Perspektive zur Binnendifferenzierung Gewinn bringend anwendbar ist. Zudem kann die Bildung virtueller Gemeinschaften nachvollzogen werden, die nur mit Hilfe des neuen Mediums realisierbar und stabilisierbar sind. Insofern ändert die Vernetzung neben Diskursen auch weitere kulturelle Praktiken.

In Kapitel 4 zeige ich exemplarisch, wie die neue Dimension auf alte Konstellationen wirkt, ohne etablierte Perspektiven zu beeinträchtigen. Die Zukunft, verstanden als kulturelle Konstruktion, wird seit Beginn der neunziger Jahre massiv umgeschrieben. Alte Zukunftsentwürfe wurden entwertet, neue treten an ihre Stelle, welche die Vernetzung aller gesellschaftlicher Dimensionen in den Mittelpunkt stellen. Trotz dieser aufwändigen Neuordnung des Diskurses scheinen durch die neuen Metaphern alte Inhalte durch. Sozialoptimisten feiern die Vernetzung als individuelle Befreiung, Kulturkritiker befürchten den Verlust des Menschen in technischer Infrastruktur.
Neben der Dimension des Zeitlichen kommt dem Raum in der Mentalitätsgeschichte eine herausragende Rolle zu.

In Kapitel 5 wird an Beispielen gezeigt, welche Auswirkungen ein dezentrales Kommunikationsnetz auf den Raum kultureller Praxis hat. Insbesondere gehe ich der These nach, der Raum werde durch die Neuen Medien obsolet. Dabei zeigt sich, dass längst nicht jede Tätigkeit virtualisierbar ist und der Raum sich als ungeahnt resistent erweist. Versprechungen der Propheten des Virtuellen, nicht zuletzt derjenigen des Neuen Marktes, werden einer kritischen Analyse unterzogen, um bei der Betrachtung konkreter Praktiken auf Änderungen der Raumwahrnehmung schließen zu können. Das kulturelle Paradigma der Vernetzung ordnet nicht nur kulturelle Produktionen wie Diskurse, Entwürfe und Fiktionen, sondern über die partielle Neubewertung – keineswegs Entwertung – des Raums auch die Mentalität, die sich in Handlungen manifestiert.

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Letzte Änderung: 10.10.2007 Jochen Koubek.