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Von der Privatkopieschranke zur Content-Flatrate

Volker Grassmuck

Podiumsbeitrag auf dem gemeinsamen Kongress von BDB und DGI
„Information Macht Bildung", 26. März 2004
im Rahmen des 2. Leipziger Kongresses für Information und Bibliothek und des 93. Deutschen Bibliothekartags während der Buchmesse Leipzig


Privatkopie

Meine patriotische Ader ist nicht besonders ausgeprägt entwickelt. Doch wenn es eine deutsche Innovation gibt, die sich bewährt hat und das auch andernorts, bin ich gern bereit, diese hochzuhalten. Ich rede vom pauschalvergüteten Privatkopieren (§ 53 UrhG), das in der Urheberrechtsreform von 1965 eingeführt und inzwischen fast überall in Kontinentaleuropa und auch darüber hinaus übernommen wurde. Mindestens 42 Länder dieser Welt verfügen über eine pauschalvergütete Privatkopieschranke.(1)

Rückblende zum der 1950er Jahre: Tonbandgeräte sind gerade für Privathaushalte erschwinglich geworden. Die GEMA wollte, dass Käufer in den Läden ihre Personalausweisdaten hinterlassen sollten, damit sie kontrollieren kann, was diese Menschen in ihren vier Wänden mit diesen Musikkopiergeräten anstellen. Der Streit ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) und der wies 1964 das Begehren der GEMA ab. Der Grundwert der Unverletzlichkeit der Wohnung überwiege gegenüber dem des Eigentumsschutzes. Diese höchstinstanzliche Entscheidung griff der Gesetzgeber in der Urheberrechtsreform von 1965 auf: was man nicht mit verhältnismäßigen Mitteln unterbinden kann, muß man erlauben. Und damit die Urheber dabei nicht leer ausgehen, führte er als quid pro quo eine Vergütungspflicht ein, die von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen wird.

Die Privatkopieschranke dient dem Interesse an Kommunikation, kultureller Teilhabe und Weiterentwicklung in kreativen Prozessen. Traditionell war Rechteinhabern nie die absolute Kontrolle über die Verwendung ihrer Werke zugesprochen worden. Jedermann ist frei, ein Werk zum eigenen Lernen oder Vergnügen zu lesen, zu hören oder zu betrachten. Das Urheberrecht diente auch nie dazu, die Nutzung von Information durch Individuen zu verhindern. Die Auffassung, dass sich der Urheberrechtsschutz nicht in die Privatsphäre von Individuen erstreckt, ist unter den frühen kontinentaleuropäischen Urheberrechtsgelehrten weithin anerkannt. Die private Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken für persönliche Zwecke ohne vorherige Genehmigung durch den Rechteinhaber wurde als notwendig angesehen, um Individuen in die Lage zu versetzen, aktiv an der öffentlichen Debatte teilzunehmen und ihre Persönlichkeit zu entfalten.(2) Die Möglichkeit, Informationen in einen eigenen Kontext, also z.B. in ein eigenes Archiv zu stellen, ist Voraussetzung dafür, dass mündige Bürger an der Informationsgesellschaft teilhaben, sie mit gestalten und eine „semiotische Demokratie"(3) verwirklichen. Carsten Schulz (ifrOSS) fasste den Sinngehalt der Privatkopieschranke in einer Sitzung der Privatkopie-Arbeitsgruppe des Bundesjustizministerium im Frühjahr 2004 in den Konzepten der nutzungserweiternden, nutzungserschließenden und nutzungserhaltenden Privatkopie zusammen.

Dem steht die Auffassung der Urheberrechtsmaximalisten entgegen, die Privatkopieschranke diene nur dazu ein Marktversagen zu reparieren: Das Urheberrecht gelte absolut. Jede Form der Nutzung, auch die private, müsse lizenziert werden. Nur weil in den 1960er Jahren keine Mittel zur Verfügung standen, die es Privaten erlaubt hätte, für jede private Kopie eine Lizenz vom Rechteinhaber einzuholen, und weil Vorschläge wie der der GEMA mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Rechtsgut der Unverletzlichkeit der Wohnung konfligiert hätten, habe der Gesetzgeber -- gewissemaßen zähneknirschend -- eine gesetzliche Lizenz eingeführt. Sobald solche Mittel verfügbar werden, so diese Logik, entfalle die Legitimation der Privatkopieschranke.

Andere Urheberrechtsgelehrte weisen jedoch darauf hin, dass sich die Privatkopie keinswegs allein aus einem Marktversagens begründe, sondern auch aus der Gemeinwohlbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG. Sowohl Justizministerin Zypries wie Prof. Hilty wiesen beim Auftaktsymposion zum zweiten Korb darauf hin.(4) Auch Dreier/Schulze betonen in ihrem aktuellen Urheberrechtskommentar die verfassungsrechtliche Stellung des § 53:

Die Regelung erschöpft sich jedoch nicht allein in der Korrektur eines Markversagens. So betont der BGH zum anderen die Einbindung der Urheberinteressen in die Gemeinwohlbindung des Art. 14 Abs 1 GG und hebt hervor, dass die Schranke des § 53 zugleich dem Interesse der Allgemeinheit verpflichtet ist, im Rahmen der Entwicklung der modernen Industriegesellschaft, zu vorhandenen Informationen und Dokumentationen ‚unkomplizierten' Zugang' zu haben [...]. Daher hat § 53 auch im digitalen und vernetzten Umfeld sowie angesichts der Möglichkeit technologischer Schutzmechanismen nach wie vor seine Berechtigung [...]. Das wird in der Diskussion um eine angemessene Ausgestaltung des Umfangs zustimmungsfreier Vervielfältigungshandlungen zum privaten und sonstigen Gebrauch nicht selten übersehen.(5)

Das deutsche Urheberrecht hat Vorbildcharakter. Die Innovation der pauschalvergüteten Privatkopie hat sich als datenschutzfreundliche und benutzer- wie urheberfreundliche Balance von Zugang und Vergütung bewährt. Diese Errungenschaft, soll nun, zugunsten eines unerprobten Modells, nämlich DRM, aufgegeben werden.

Sie werden sagen: Aber das im September 2003 in Kraft getretene neue Urheberrecht hat doch die Zulässigkeit der Privatkopie ausdrücklich bestätigt und auf digitale Träger ausgeweitet? Das ist richtig, aber nur ein Teil der Geschichte. Hinter dem anderen Teil steht die Vorstellung, dass es eine Technologie gäbe, die Probleme, die die Pauschalvergütung so lange zur Zufriedenheit aller gelöst hat, besser löse, die vergütete Nutzungsfreiheit mithin überflüssig mache.



DRM

Seit Mitte der 1990er Jahre gilt Digital Restrictions Management (DRM)(6) als die einzige Lösungsstrategie für das „digitale Verlegerdilemma." DRM ist Technologie zur Kontrolle von Zugang zu und Nutzung von Werken, eine Umgebung, in der Lizenzverträge die Einhaltung ihrer Bedingungen gewissermaßen selbst durchsetzen könnnen. Eine private Kopie ist dann nur eine weitere Nutzung, die unter den Bedingungen der Rechteinhaber, z.B. Zahlung einer Gebühr, Beschränkung der Zahl und Form der Kopien, Einbettung von Wasserzeichen mit Personendaten usw. freigeschaltet werden kann. Die Technologie, so das Argument vor allem der Geräteindustrie, beseitige das Marktversagen: wären die Transaktionskosten für eine individuelle Lizenzierung von privaten Kopien bislang unzumutbar hoch gewesen, mache die digitale Umwelt sie möglich. Privates Kopieren wäre immer noch möglich, aber nicht zustimmungsfrei, und daher nicht als Schrankenrecht. Und sie sei gerechter, weil jeder nur das bezahlt, was er konsumiert. Ergo, die Zulässigkeit der Privatkopie und damit natürlich auch ihre pauschale Vergütung werden überflüssig. Unterschlagen werden dabei die anderen genannten Aspekte der Privatkopie.

Ebenfalls keine Rolle spielt es, wie erfolgreich DRM bei der Erfüllung der Erwartungen ist. Heute, zehn Jahre nachdem dieser Lösungsweg eingeschlagen wurde, herrscht die Auffassung vor, DRM sei noch nicht ausgereift. So der Kulturrat,(7) die VG Wort(8) und die GEMA in ihren Stellungnahmen zum Zweiten Korb. Zum gleichen Ergebnis kommen Berichte von der EU-Kommission(9) und von der WIPO.(10) Darin drückt sich die Vorstellung aus, dass bei technologischen Großsystemen mit Startschwierigkeiten zu rechnen sei, die Experten das aber früher oder später in den Griff bekommen werden. Wie bei Toll Collect klappt es beim „Copyright Toll Collect" eben nicht gleich beim ersten Anlauf.

Die Marketing- und Lobbyingabteilungen der Technologieunternehmen sehen den Entwicklungsstand und die Zukunftsaussichten für DRM naturgemäß optimistischer.(11) Aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen derselben Unternehmen - also von denjenigen, die die DRM-Technologien tatsächlich entwickeln - sind jedoch ganz andere Einschätzungen zu hören. DRM ist „unwirksam" (Biddle et al., Microsoft(12) und Haber et al. Hewlett-Packard(13)), „dumm" (Safford, IBM),(14) „nutzlos"(15) und „zum Scheitern verurteilt."(16)

Tatsächlich hat bisher kein DRM-System mehr als einige Tage in der rauen Wirklichkeit des Internet überlebt. FairPlay, das DRM-System von Apples gefeiertem iTunes Music Store, zum Beispiel, ist nicht nur wiederholt geknackt und von Mitbewerber RealNetworks reverse engineered worden, es erlaubt bereits von hause aus, die Musik DRM-frei auf eine Standard-Audio-CD zu schreiben, von wo sie sich mit Standardwerkzeugen wieder auslesen läßt.(17) Das Design beabsichtigt offensichtlich gar nicht, unautorisierte Nutzungen zu verhindern, allenfalls zu behindern. Aus dem Grund dafür macht Apple-Chef Steve Jobs kein Geheimnis: „We said [to the record companies]: None of this technology that you're talking about's gonna work. We have Ph.D.'s here, that know the stuff cold, and we don't believe it's possible to protect digital content."(18) Der Content-Sektor macht also die gleichen Erfahrungen mit technischen Kontrollen, wie die Software-Industrie in den 1980ern, nur dass er sich bislang nicht zu einem Eingeständnis ihrer Nutzlosigkeit durchringen konnte.

Jim Griffin hat die Situation in einem Interview im Februar 2004 trefflich auf den Punkt gebracht. Griffin war Leiter der Technologieabteilung von Geffen Records, einem der größten Independent Musik-Labels in den USA, und leitet heute seine eigene Firma Cherry Lane Digital. Er sprach von der „Quacksalbermedizin der Kontrolle", die Rechtsanwälte und Technologen weiterhin anpriesen und an deren Wirksamkeit die Rechteindustrie nur zu gerne glauben möchte.(19) Er bezeichnet DRM als eine „höfliche Fiktion":

„Als ich 14 war, habe ich den Mädchen auch erzählt, ich liebe sie, wenn ich mit ihnen schlafen wollte. Es war eine Fiktion. Steve Jobs läßt nur etwas Geld auf dem Tisch zurück. Jobs und Gates machen der Content-Industrie Versprechungen, die sie nicht die geringste Absicht haben zu halten. Es ist die Art von Versprechen, die man macht, um Dinge voranzutreiben. Die Content-Eigentümer wollen das hören. Wenn wir ehrlich wären, würden wir den Content-Eigentümern mitteilen: ‚Nach allem was wir sagen können, werden wir damit keinen Erfolg haben.'"(20)

Das Ergebnis ist also klar. Doch ebenso klar scheint es, dass das Großprojekt DRM durch weitere Eskalationsstufen getrieben wird, bevor sich die Einsicht in seine Vergeblichkeit durchsetzen wird. Deshalb ist es notwendig, auf die Gefahren hinzuweisen, die weiterhin von DRM ausgehen.

  • Für Bürger/Verbraucher: Datenschutz (DRM ist ein invasives Überwachungsinstrument. Besonders die Hardware-gestützten Konzepte des Trusted Computing, die eine Fernsteuerung von PCs ermöglichen, verletzen die Privatsphäre der Nutzer und führen zum gläsernen Kunden.); Behinderung von Informationsrechten; Funktionseinschränkung von Medienprodukten; hohe Transaktionskosten, die letztlich die Verbraucher und die Urheber bezahlen. Technologisches „Lock-in" und damit Einschränkung der Wahlfreiheit der eigenen Plattform. Verhinderung der nachhaltigen Informationsbewahrung, z.B. durch Bibliotheken.
  • Für Wettbewerb und Fortschritt in den Content-Branchen(21): hohe Transaktionskosten, dadurch Marktkonzentration. DRM nützt nur Großunternehmen. KMUs oder gar individuelle Urheber können sich die Kosten für DRM-Technologielizenzen und deren Nutzung nicht leisten.(22) Die darauf beruhende „individuelle Lizenzierung" ist äußerst kostspielig.(23)
  • Für Wettbewerb und Fortschritt in den Technologie-Branchen: Konzentration, Blockade alternativer Entwicklungen.(24)
  • Für die Urheber: hohe Transaktionskosten, die letztlich die Verbraucher und die Urheber bezahlen. Von den Einnahmen aus individueller Vergütung für privates Kopieren haben sie nichts zu erwarten.(25) Dagegen erhalten sie über die Verwertungsgesellschaften immerhin noch einen Anteil.
  • Für die Allzweckmaschine: Sie mag als abstraktes Konzept erscheinen, aber die universale Symbolmanipulationsmaschine Computer ist mehr als das. Ihrer freien Programmierbarkeit verdanken wir die bisherigen Errungenschaften der digitalen Revolution. Wird sie von DRM bedroht, ist auch der weitere Fortschritt in Gefahr.


Online-Lizenz

Wenn sich herausstellt, dass DRM untauglich ist, das gestellte Problem zu lösen, wird man über Alternativen nachdenken müssen. Als Lösung bietet sich das altbewährte pauschalergütete Schrankenmodell an.

Dreier/Schulze: „Die gesetzliche Lizenz erscheint überall dort als das geeignete Instrument, wo aufgrund der Massenhaftigkeit urheberrechtsrelevanter Vorgänge und/oder der unüberschaubaren Zahl von betroffenen Rechteinhabern und/oder Nutzern eine Kontrolle nicht möglich ist und Einzelverhandlungen zu umständlich bzw. zu langwierig wären. [...] Gesetzliche Lizenzen sind dasjenige Instrument, deren [sic!] sich das deutsche UrhG bei seinen Schrankenbestimmungen am meisten bedient."

Tatsächlich entwickeln Medienpraktiker und Akademiker in einer internationalen Debatte seit einigen Jahren genau dieses Modell.(26) Hier eine kompakte Skizze, wie eine Pauschalvergütung fürs Internet aussehen könnte:

Eine Schrankenbestimmung oder ein Gesamtvertrag erklärt das Vervielfältigen und öffentliche Online-Zugänglichmachen urheberrechtlich geschützter Werke für nichtkommerzielle private Zwecke für zulässig und vergütungspflichtig. Der zu erhebende Gesamtbetrag wird pauschal auf die Erhebungspunkte umgelegt. Neben den bestehenden Vergütungen für digitale Kopiergeräte und Leermedien kommt eine Pauschale auf Internetzugang hinzu, die der ISP zusammen mit seinen Gebühren einzieht und an eine neu zu gründende Online-Verwertungsgesellschaft abführt. Rechteinhaber müssen, wie bei den alten VGs auch, Mitglied der Online-VG werden und ihre Werke dort anmelden, um von der Ausschüttung zu profitieren. Neu ist, dass jedes Werk eine Kennung erhält, die mit dem digitalen Werkstück verbunden wird. Diese Werk-ID dient zur Registrierung von Downloads und Streams von Servern oder in p2p Netzen, sowie der Messung der Werknutzung in freiwillig an einer Nielsen-artigen Erhebung teilnehmenden Haushalten. Diese Nutzungsinformationen gehen in den Schlüssel ein, nach dem die Vergütung an die Werkinhaber ausgeschüttet werden.

Neben der bewährten Privatkopieschranke lassen sich weitere Präzendzen anführen: Die VG Wort verweist in ihrer Stellungnahme zum Zweiten Korb darauf, dass das Auffinden einer Vielzahl von Rechteinhabern, um mit ihnen individuelle Verträge abzuschließen, zu unüberwindbaren Probleme bei der Neuauflage von Zeitschriftenjahrgängen auf CD-ROM geführt hätte. Die Lösung dafür war eine gesamtvertragliche Regelung. „In Bereichen, wo vertragliche Regelungen - zum Teil wegen widersprüchlicher Interessen - nicht zum Ziel führen, sollte versucht werden, eine Lösung in Form einer gesetzlichen oder Zwangslizenz zu finden."(27) Auch in Bezug auf die leidige Frage des Kopienversands dringt die VG Wort auf eine gesetzliche Regelung, die nicht nur das Vervielfältigungs- sondern auch das Verbreitungsrecht umfasst und den Kopienversand für zulässig und vergütungspflichtig erklärt.(28)

Einer der Verfechter einer vergüteten Online-Schranke, Bennett Lincoff, war Direktor der Rechtsabteilung für Neue Medien der US-amerikanischen Verwertungsgesellschaft ASCAP der Musikautoren und -Verleger. Nach seinen detaillierten Ausführunge kommt er zu dem Schluß:

„Das Online-Übertragungsrecht, kollektiv verwaltet und einer gesetzlichen Lizenz unterstellt, ist das beste Modell für die Verwaltung von Musikrechten im digitalen Zeitalter; es ist eine vollständige, faire und machbare Lösung für das Dilemma der Online-Musiklizenzierung. Seine Implementierung wird einen florierenden Online-Markt für Musik ermöglichen."(29)

Eine weitere komplex ausgearbeitete Version der Pauschalvergütung fürs Netz stammt von William Fisher, Rechtsprofessor an der Harvard Law School und Direktor des dortigen Berkmann Center for Internet and Society. Er geht davon aus, dass das System beim Start die durch freie Online-Nutzung entgangenen Erlöse der Musik- und der Filmindustrie ersetzen soll und kommt auf einen Betrag von 2,4 Mrd. US-Dollar. Umgelegt auf die Umsätze mit Geräten, Leermedien und Diensten, die von der freien Online-Zirkulation profitieren, errechnet er eine Vergütungshöhe von 15,88 Prozent. Der durchschnittliche Breitbandzugang in den USA würde sich entsprechend um 4,88 US-Dollar/Monat verteuern.(30)

Die Vorteile einer Pauschalvergütungslösung lassen sich wie folgt zusammenfassen. Sie ...

  • ist datenschutzfreundlich, da keine Personendaten erfasst und über Jahrzehnte vorrätig gehalten werden müssen.
  • macht eine massenhafte Kriminialisierung von Filesharern überflüssig und entlastet damit nicht nur die Strafverfolgungsbehörden.
  • gewährleistet eine unter staatlicher Aufsicht transparent ausgehandelte und verwaltete Vergütung für Urheber.
  • erzeugt im Vergleich zu DRM sehr viel geringere Transaktionskosten.
  • ist wettbewerbsfreundlich, da marktverzerrende Effekte durch Technologiemonopole, wie sie bei DRM zu erwarten sind, vermieden werden.
  • stellt eine geringe Zugangshürde auch für kleine und mittlere Medienunternehmen und individuelle Urheber dar.
  • bietet Nutzern keinen Betrugsanreiz, da die Höhe der Zahlung nicht von der Zahl der tatsächlich genutzten Werke abhängt.

„Was gut ist, setzt sich durch", heißt es in der Werbung, doch im wirklichen Leben gibt es dafür leider keine Gewähr. Daher ist die Frage berechtigt, wie realistisch es ist, dass eine Content-Flatrate dem kostspieligen Irrweg DRM ein Ende setzt. In den USA hat das Modell nicht nur in der akademischen, sondern auch in der öffentlichen Debatte inzwischen eine erhebliche Umlaufgeltung erlangt. Auch in Europa hat die Auseinandersetzung begonnen. NGOs wie Attac haben sich die Alternative auf die Fahnen geschrieben. In schwedischen und französischen Verwertungsgesellschaften wird sie als das bessere Modell diskutiert und selbst Vertreter der Musikindustrie sagen mehr oder weniger offen, dass es letztlich keine andere Lösung geben kann. Rückendeckung gibt es selbst von höchster Ebene. In einem Bericht des EU-Parlaments über einen angestrebten Gemeinschaftsrahmen für Verwertungsgesellschaften aus dem Dezember 2003 heißt es:

„Das Europäische Parlament [...] 31. [...] betont, dass Verwertungsgesellschaften die wichtigste Option für den wirksamen Schutz des Urheberrechts des Künstlers darstellen [... und] dass die Einführung einer angemessenen Pauschalvergütung als Kompensation für die freie Vervielfältigung zu privaten Zwecken die einzige Möglichkeit zur Sicherung eines gerechten Entgelts für die Urheber und eines leichten Zugangs der Nutzer zu den Werken geistigen Eigentums darstellt und nicht durch Digital Rights Management Systeme (DRMS) ersetzt werden kann."(31)

Es besteht somit berechtigte Hoffnung, dass sich das, was gut ist, tatsächlich durchsetzen wird und wir zu einem fairen Interessenausgleich im digitalen Zeitalter kommen werden, den der Stanforder Rechtsgelehrten Lawrence Lessig auf die Formel gebracht hat: Kompensation ohne Kontrolle.

 


 

Endnoten

1. Hugenholtz et al., 2003, S. 13 mit Verweis auf auf einen im September 2001 vom Australian Copyright Council vorgelegten Bericht.

2. Vgl. Hugenholtz et al., 2003, S. 10

3. William W. Fisher III, Promises to Keep. Technology, Law, and the Future of Entertainment, Stanford University Press, 2004, Pre-Prints auf http://www.tfisher.org/PTK.htm

4. Nachzulesen in: ZUM, Jahrg. 47, Sonderheft 2003 „Urheberrecht in der Informationsgesellschaft -- Auftakt zum zweiten Korb.

5. Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz. Kommentar, Beck, München 2004, § 53, 1.

6. „Restriktions-Management" wird verwendet, um Techniken zur Erzwingung der Einhaltung von Lizenzbedingungen auf den Geräten der Nutzer zu bezeichnen und dieses spezifische Bedetung vom üblicheren „Digital Rights Management" abzugrenzen, das zunehmend für alles verwendet wird, was mit digital ist und mit Rechten zu tun hat, einschließlich der Freiheitsrechte von Nutzern. Unter einem solchen extrem weiten Begriff ließen sich dann auch Konzepte fassen, die ausdrücklich als Alternative oder Abwehr von DRM entwickelt wurden, z.B. die Creative Commons-Lizenzen (s. http://creativecommons.org) oder die Content-Flatrate (s. unten). Der Begriff „Digital Restrictions Management" wurde geprägt von Richard Stallman (s. Some Confusing or Loaded Words and Phrases that are Worth Avoiding, ohne Datum, http://www.gnu.org/philosophy/words-to-avoid.html#DigitalRightsManagement).

7. DRM „zum gegenwärtigen Zeitpunkt technisch noch nicht ausgereift" (Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur Vorbereitung eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (»Zweiter Korb«), 11. Dezember 2003, http://www.kulturrat.de/aktuell/Stellungnahmen/korb2.htm)

8. „... ist unbestreitbar, dass es bis heute noch kein technisch ausgereiftes DRM-System gibt, welches nicht mit einfachsten Mitteln auch von Laien ‚geknackt' werden kann." (Stellungnahme der VG Wort zu den Fragen des BMJ zur weiteren Reform des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (»Zweiter Korb«) vom 30. Oktober 2003, http://www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/st/2003/vgwort-2003-10-30.pdf)

9. „At present, DRMS have not yet proved widely acceptable to all players as not all the problems associated with technical protection measures and DRMs have been ironed out." (Commission Staff Working Paper, Digital Rights. Background, Systems, Assessment (SEC(2002 197), Brussels 14.2.2002, S. 3, http://europa.eu.int/information_society/topics/multi/digital_rights/doc/workshop2002/drm_workingdoc.pdf)

10. „Although the study has been written by experts in the subject, it should be emphasized from the start that many aspects of digital rights management remain speculative. To date, there are no extensive implementations..." (WIPO, Current Developments in the Field of Digital Rights Management (SCCR/10/2), prepared by prepared by Jeffrey P. Cunard, Keith Hill, and Mr. Chris Barlas, August 1, 2003, http://www.wipo.org/documents/en/meetings/2003/sccr/pdf/sccr_10_2.pdf)

11. „‚Es gibt gut funktionierende und sichere Technologien. Warum sie im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt werden, lässt sich auch durch die neuerlichen Ausführungen der Bundesregierung nicht nachvollziehen', so Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des BITKOM." (Bitkom Pressemitteilungen, Das Internet braucht keine Pauschalabgaben, 14.11.2002, http://www.bitkom.org/index.cfm?gbAction=gbcontentfulldisplay&ObjectID=4C42FADA-EAF1-4EDB-96DA36F1B2E929A0&CategoryNodeID=5BE1705E-9CB6-4C57-80DBAC4DC9F61C08&MenuNodeID=4C872DB6-8470-4B01-A36FD8C1EBA2E22D)

12. Peter Biddle, Paul England, Marcus Peinado und Bryan Willman (Microsoft Corporation), „The Darknet and the Future of Content Distribution", 2002 ACM Workshop on Digital Rights Management, November 18, 2002, Washington DC, http://crypto.stanford.edu/DRM2002/darknet5.doc

13. „We conclude that given the current and foreseeable state of technology the content protection features of DRM are not effective at combating piracy." (Stuart Haber, Bill Horne, Joe Pato, Tomas Sander, Robert Endre Tarjan (Trusted Systems Laboratory, HP Laboratories Cambridge), If Piracy is the Problem, Is DRM the Answer? HPL-2003-110, Mai 27 th, 2003, http://www.hpl.hp.com/techreports/2003/HPL-2003-110.pdf)

14. "My personal oppinion (not speaking for IBM) is that DRM is stupid because it can never be effective and because it takes away existing consumer rights." (David Safford, IBM Research, „Clarifying Misinformation on TCPA", Oktober 2002, http://www.research.ibm.com/gsal/tcpa/tcpa_rebuttal.pdf)

15. "Digital files cannot be made uncopyable, any more than water can be made not wet." (Bruce Schneier , The Futility of Digital Copy Prevention, in: Crypto-Gram Newsletter, Mai 15, 2001, http://www.schneier.com/crypto-gram-0105.html#3)

16. „It's baffling to me that the content industries don't look at the experience of the software industry in the 80's, when copy protection on software was widely tried, and just as widely rejected by consumers." (Tim O'Reilly interview: Digital Rights Management is a Non-starter, Stage4, 27/07/03, http://stage4.co.uk/full_story.php?newsID=272)

17. Zu FairPlay s. http://en.wikipedia.org/wiki/FairPlay

18. Steve Jobs: The Rolling Stone Interview, December 03, 2003, http://www.rollingstone.com/features/featuregen.asp?pid=2529

19. „The snake oil of control." (Andrew Orlowski, Why wireless will end 'piracy' and doom DRM and TCPA - Interview with Jim Griffin, The Register, 11/02/2004, http://www.theregister.co.uk/content/6/35498.html)

20. Ebd.

21. Die Content-Industrien haben sich immer wieder des Verstoßes gegen Wettbewerbsregeln schuldig gemacht. So verschickten die fünf Oligopole der Musikindustrie vor kurzem in den USA Millionen von Dollar an ihre Kunden, weil ihnen illegale Preisabsprachen in den Jahren 1995 bis 2000 nachgewiesen wurden. (Geldsegen. Musikkonzerne verschickten Schecks an drei Millionen Kunden, Spiegel Online, 21. Februar 2004, http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,287478,00.html)

22. Hubert Gertis auf dem Symposium „DRM und Alternativen", Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität zu Berlin, 30./31. Januar 2004, http://waste.informatik.hu-berlin.de/Grassmuck/drm/. Im gleichen Sinne: „DRM systems might be operated by big producers only." (Jörg Reinbothe, "Private Copying, Levies and DRMs against the Background of the EU Copyright Framework", auf der Konferenz "The Compatibility of DRM and Levies", Brussels, 8 September 2003, http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/intprop/news/2003-09-speech_en.htm)

23. Richard Owens (Leiter der Abteilung Urheberrecht im WIPO-Sekretariat), auf dem Transatlantic Consumer Dialog (TACD) Meeting zum Urheberrecht, Brüssel, 4. Februar 2004.

24. So hat die EU-Kommission im März 2004 nach einem vierjährigen Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft eine empfindliche Geldstrafe wegen Monopolmissbrauchs verhängt und das Unternehmen gezwungen, seine Betriebssysteme künftig ohne den Media Player auszuliefern, um Wettbewerbern eine Chance zu geben. Die Media Player-Software ist für die Verbraucher die zentrale Schnittstelle zu Microsofts DRM-Infrastruktur.

25. „DRM systems might be operated by big producers only, which may not pass on the revenues to authors and other non-corporate rightholders as collecting societies do according to their distribution keys. Individual rights management based on DRMs may, therefore, not ensure that all rightholders get their ‚fair share'." (Reinbothe (2003), op. cit.)

26. Eine Linksammlung zu den wichtigsten Quellen dieser Debatte: http://www.crosscommons.org/acs.html.

27. Stellungsnahme VG Wort, op. cit.

28. Ebd., s. Vorschlag für eine neue Schranke § 52 b Kopienversand auf Bestellung

29. Bennett Lincoff, A Full, Fair And Feasible Solution To The Dilemma of Online Music Licensing, New York, New York November 22, 2002, Abs. 144, http://www.quicktopic.com/boing/D/uhAMNwVb8yfkc.html

30. William W. Fisher III, Chapter 6: An Alternative Compensation System, digitales Pre-Print aus: Promises to Keep. Technology, Law, and the Future of Entertainment, forthcoming, Stanford University Press, 2004, http://www.tfisher.org/PTK.htm

31. Der Bericht ist zugleich ein gehörige Rüge der realexistierenden Verwertungsgesellschaft. Im selben Artikel 31. betont das EU-Parlament, „dass sie nach dem Prinzip der Transparenz, der Demokratie und der Beteiligung der Künstler arbeiten müssen." Transparenz wird in fast jedem zweiten Artikel anGEMAhnt. (European Parliament Report on a Community framework for collecting societies for authors' rights (2002/2274(INI)), A5-0478/2003, Committee on Legal Affairs and the Internal Market, Rapporteur: Raina A. Mercedes Echerer, 11 December 2003, http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?SAME_LEVEL=1&LEVEL=4&NAV=X&DETAIL=&PUBREF=-//EP//TEXT+REPORT+A5-2003-0478+0+DOC+XML+V0//EN.)

 


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last modified 04-09-24