Privatkopie
Meine patriotische Ader ist nicht besonders ausgeprägt entwickelt.
Doch wenn es eine deutsche Innovation gibt, die sich bewährt hat
und das auch andernorts, bin ich gern bereit, diese hochzuhalten. Ich
rede vom pauschalvergüteten Privatkopieren (§ 53 UrhG), das in
der Urheberrechtsreform von 1965 eingeführt und inzwischen fast
überall in Kontinentaleuropa und auch darüber hinaus übernommen
wurde. Mindestens 42 Länder dieser Welt verfügen über
eine pauschalvergütete Privatkopieschranke.(1)
Rückblende zum der 1950er Jahre: Tonbandgeräte sind gerade
für Privathaushalte erschwinglich geworden. Die GEMA wollte, dass
Käufer in den Läden ihre Personalausweisdaten hinterlassen
sollten, damit sie kontrollieren kann, was diese Menschen in ihren vier
Wänden mit diesen Musikkopiergeräten anstellen. Der Streit
ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) und der wies 1964 das Begehren
der GEMA ab. Der Grundwert der Unverletzlichkeit der Wohnung überwiege
gegenüber dem des Eigentumsschutzes. Diese höchstinstanzliche
Entscheidung griff der Gesetzgeber in der Urheberrechtsreform von 1965
auf: was man nicht mit verhältnismäßigen Mitteln unterbinden
kann, muß man erlauben. Und damit die Urheber dabei nicht leer
ausgehen, führte er als quid pro quo eine Vergütungspflicht
ein, die von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen wird.
Die Privatkopieschranke dient dem Interesse an Kommunikation, kultureller
Teilhabe und Weiterentwicklung in kreativen Prozessen. Traditionell
war Rechteinhabern nie die absolute Kontrolle über die Verwendung
ihrer Werke zugesprochen worden. Jedermann ist frei, ein Werk zum eigenen
Lernen oder Vergnügen zu lesen, zu hören oder zu betrachten.
Das Urheberrecht diente auch nie dazu, die Nutzung von Information durch
Individuen zu verhindern. Die Auffassung, dass sich der Urheberrechtsschutz
nicht in die Privatsphäre von Individuen erstreckt, ist unter den
frühen kontinentaleuropäischen Urheberrechtsgelehrten weithin
anerkannt. Die private Nutzung von urheberrechtlich geschützten
Werken für persönliche Zwecke ohne vorherige Genehmigung durch
den Rechteinhaber wurde als notwendig angesehen, um Individuen in die
Lage zu versetzen, aktiv an der öffentlichen Debatte teilzunehmen
und ihre Persönlichkeit zu entfalten.(2)
Die Möglichkeit, Informationen in einen eigenen Kontext, also z.B.
in ein eigenes Archiv zu stellen, ist Voraussetzung dafür, dass
mündige Bürger an der Informationsgesellschaft teilhaben,
sie mit gestalten und eine „semiotische Demokratie"(3)
verwirklichen. Carsten Schulz (ifrOSS) fasste den Sinngehalt der Privatkopieschranke
in einer Sitzung der Privatkopie-Arbeitsgruppe
des Bundesjustizministerium im Frühjahr 2004 in den Konzepten der
nutzungserweiternden, nutzungserschließenden und nutzungserhaltenden
Privatkopie zusammen.
Dem steht die Auffassung der Urheberrechtsmaximalisten
entgegen, die Privatkopieschranke diene nur dazu ein Marktversagen zu
reparieren: Das Urheberrecht gelte absolut. Jede Form der Nutzung, auch
die private, müsse lizenziert werden. Nur weil in den 1960er Jahren
keine Mittel zur Verfügung standen, die es Privaten erlaubt hätte,
für jede private Kopie eine Lizenz vom Rechteinhaber einzuholen,
und weil Vorschläge wie der der GEMA mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
und dem Rechtsgut der Unverletzlichkeit der Wohnung konfligiert hätten,
habe der Gesetzgeber -- gewissemaßen zähneknirschend -- eine
gesetzliche Lizenz eingeführt. Sobald solche Mittel verfügbar
werden, so diese Logik, entfalle die Legitimation der Privatkopieschranke.
Andere Urheberrechtsgelehrte weisen jedoch
darauf hin, dass sich die Privatkopie keinswegs allein aus einem Marktversagens
begründe, sondern auch aus der Gemeinwohlbindung des Eigentums
nach Art. 14 Abs. 2 GG. Sowohl Justizministerin Zypries wie Prof. Hilty
wiesen beim Auftaktsymposion zum zweiten Korb darauf hin.(4)
Auch Dreier/Schulze betonen in ihrem aktuellen Urheberrechtskommentar
die verfassungsrechtliche Stellung des § 53:
Die Regelung erschöpft sich jedoch
nicht allein in der Korrektur eines Markversagens. So betont der BGH
zum anderen die Einbindung der Urheberinteressen in die Gemeinwohlbindung
des Art. 14 Abs 1 GG und hebt hervor, dass die Schranke des
§ 53 zugleich dem Interesse der Allgemeinheit verpflichtet ist, im
Rahmen der Entwicklung der modernen Industriegesellschaft, zu vorhandenen
Informationen und Dokumentationen ‚unkomplizierten' Zugang' zu haben
[...]. Daher hat § 53 auch im digitalen und vernetzten Umfeld sowie
angesichts der Möglichkeit technologischer Schutzmechanismen
nach wie vor seine Berechtigung [...]. Das wird in der Diskussion
um eine angemessene Ausgestaltung des Umfangs zustimmungsfreier Vervielfältigungshandlungen
zum privaten und sonstigen Gebrauch nicht selten übersehen.(5)
Das deutsche Urheberrecht hat Vorbildcharakter.
Die Innovation der pauschalvergüteten Privatkopie hat sich als
datenschutzfreundliche und benutzer- wie urheberfreundliche Balance
von Zugang und Vergütung bewährt. Diese Errungenschaft, soll
nun, zugunsten eines unerprobten Modells, nämlich DRM, aufgegeben
werden.
Sie werden sagen: Aber das im September
2003 in Kraft getretene neue Urheberrecht hat doch die Zulässigkeit
der Privatkopie ausdrücklich bestätigt und auf digitale Träger
ausgeweitet? Das ist richtig, aber nur ein Teil der Geschichte. Hinter
dem anderen Teil steht die Vorstellung, dass es eine Technologie gäbe,
die Probleme, die die Pauschalvergütung so lange zur Zufriedenheit
aller gelöst hat, besser löse, die vergütete Nutzungsfreiheit
mithin überflüssig mache.
DRM
Seit Mitte der 1990er Jahre gilt Digital Restrictions Management (DRM)(6)
als die einzige Lösungsstrategie für das „digitale Verlegerdilemma."
DRM ist Technologie zur Kontrolle von Zugang
zu und Nutzung von Werken, eine Umgebung, in der Lizenzverträge
die Einhaltung ihrer Bedingungen gewissermaßen selbst durchsetzen
könnnen. Eine private Kopie ist dann nur eine weitere Nutzung,
die unter den Bedingungen der Rechteinhaber, z.B. Zahlung einer Gebühr,
Beschränkung der Zahl und Form der Kopien, Einbettung von Wasserzeichen
mit Personendaten usw. freigeschaltet werden kann. Die Technologie,
so das Argument vor allem der Geräteindustrie, beseitige das Marktversagen:
wären die Transaktionskosten für eine individuelle Lizenzierung
von privaten Kopien bislang unzumutbar hoch gewesen, mache die digitale
Umwelt sie möglich. Privates Kopieren wäre immer noch möglich,
aber nicht zustimmungsfrei, und daher nicht als Schrankenrecht. Und
sie sei gerechter, weil jeder nur das bezahlt, was er konsumiert. Ergo,
die Zulässigkeit der Privatkopie und damit natürlich auch
ihre pauschale Vergütung werden überflüssig. Unterschlagen
werden dabei die anderen genannten Aspekte der Privatkopie.
Ebenfalls keine Rolle spielt es, wie
erfolgreich DRM bei der Erfüllung der Erwartungen ist. Heute,
zehn Jahre nachdem dieser Lösungsweg eingeschlagen wurde, herrscht
die Auffassung vor, DRM sei noch nicht ausgereift. So der Kulturrat,(7)
die VG Wort(8) und die GEMA in ihren
Stellungnahmen zum Zweiten Korb. Zum gleichen Ergebnis kommen Berichte
von der EU-Kommission(9) und von der
WIPO.(10) Darin drückt sich die
Vorstellung aus, dass bei technologischen Großsystemen mit Startschwierigkeiten
zu rechnen sei, die Experten das aber früher oder später in
den Griff bekommen werden. Wie bei Toll Collect klappt es beim „Copyright
Toll Collect" eben nicht gleich beim ersten Anlauf.
Die Marketing- und Lobbyingabteilungen der Technologieunternehmen
sehen den Entwicklungsstand und die Zukunftsaussichten für DRM
naturgemäß optimistischer.(11)
Aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen derselben Unternehmen
- also von denjenigen, die die DRM-Technologien tatsächlich entwickeln
- sind jedoch ganz andere Einschätzungen zu hören. DRM ist
„unwirksam" (Biddle et al., Microsoft(12)
und Haber et al. Hewlett-Packard(13)),
„dumm" (Safford, IBM),(14) „nutzlos"(15)
und „zum Scheitern verurteilt."(16)
Tatsächlich hat bisher kein DRM-System
mehr als einige Tage in der rauen Wirklichkeit des Internet überlebt.
FairPlay, das DRM-System von Apples gefeiertem iTunes Music Store, zum
Beispiel, ist nicht nur wiederholt geknackt und von Mitbewerber RealNetworks
reverse engineered worden, es erlaubt bereits von hause aus, die Musik
DRM-frei auf eine Standard-Audio-CD zu schreiben, von wo sie sich mit
Standardwerkzeugen wieder auslesen läßt.(17)
Das Design beabsichtigt offensichtlich gar nicht, unautorisierte Nutzungen
zu verhindern, allenfalls zu behindern. Aus dem Grund dafür macht
Apple-Chef Steve Jobs kein Geheimnis: „We
said [to the record companies]: None of this technology that you're
talking about's gonna work. We have Ph.D.'s here, that know the stuff
cold, and we don't believe it's possible to protect digital content."(18)
Der Content-Sektor macht also die gleichen Erfahrungen mit technischen
Kontrollen, wie die Software-Industrie in den 1980ern, nur dass er sich
bislang nicht zu einem Eingeständnis ihrer Nutzlosigkeit durchringen
konnte.
Jim Griffin hat die Situation in einem Interview im Februar 2004 trefflich
auf den Punkt gebracht. Griffin war Leiter der Technologieabteilung
von Geffen Records, einem der größten Independent Musik-Labels
in den USA, und leitet heute seine eigene Firma Cherry Lane Digital.
Er sprach von der „Quacksalbermedizin der Kontrolle", die Rechtsanwälte
und Technologen weiterhin anpriesen und an deren Wirksamkeit die Rechteindustrie
nur zu gerne glauben möchte.(19)
Er bezeichnet DRM als eine „höfliche Fiktion":
„Als ich 14 war, habe ich den Mädchen auch erzählt, ich
liebe sie, wenn ich mit ihnen schlafen wollte. Es war eine Fiktion.
Steve Jobs läßt nur etwas Geld auf dem Tisch zurück.
Jobs und Gates machen der Content-Industrie Versprechungen, die sie
nicht die geringste Absicht haben zu halten. Es ist die Art von Versprechen,
die man macht, um Dinge voranzutreiben. Die Content-Eigentümer
wollen das hören. Wenn wir ehrlich wären, würden wir
den Content-Eigentümern mitteilen: ‚Nach allem was wir sagen
können, werden wir damit keinen Erfolg haben.'"(20)
Das Ergebnis ist also klar. Doch ebenso klar scheint es, dass das Großprojekt
DRM durch weitere Eskalationsstufen getrieben wird, bevor sich die Einsicht
in seine Vergeblichkeit durchsetzen wird. Deshalb ist es notwendig,
auf die Gefahren hinzuweisen, die weiterhin von DRM ausgehen.
- Für Bürger/Verbraucher: Datenschutz (DRM ist
ein invasives Überwachungsinstrument. Besonders die Hardware-gestützten
Konzepte des Trusted Computing, die eine Fernsteuerung von PCs ermöglichen,
verletzen die Privatsphäre der Nutzer und führen zum gläsernen
Kunden.); Behinderung von Informationsrechten; Funktionseinschränkung
von Medienprodukten; hohe Transaktionskosten, die letztlich die Verbraucher
und die Urheber bezahlen. Technologisches „Lock-in" und damit Einschränkung
der Wahlfreiheit der eigenen Plattform. Verhinderung der nachhaltigen
Informationsbewahrung, z.B. durch Bibliotheken.
- Für Wettbewerb und Fortschritt in den Content-Branchen(21):
hohe Transaktionskosten, dadurch Marktkonzentration. DRM nützt
nur Großunternehmen. KMUs oder gar individuelle Urheber können
sich die Kosten für DRM-Technologielizenzen und deren Nutzung
nicht leisten.(22) Die darauf beruhende
„individuelle Lizenzierung" ist äußerst kostspielig.(23)
- Für Wettbewerb und Fortschritt in den Technologie-Branchen:
Konzentration, Blockade alternativer Entwicklungen.(24)
- Für die Urheber: hohe Transaktionskosten, die letztlich
die Verbraucher und die Urheber bezahlen. Von den Einnahmen aus individueller
Vergütung für privates Kopieren haben sie nichts zu erwarten.(25)
Dagegen erhalten sie über die Verwertungsgesellschaften immerhin
noch einen Anteil.
- Für die Allzweckmaschine: Sie mag als abstraktes Konzept
erscheinen, aber die universale Symbolmanipulationsmaschine Computer
ist mehr als das. Ihrer freien Programmierbarkeit verdanken wir die
bisherigen Errungenschaften der digitalen Revolution. Wird sie von
DRM bedroht, ist auch der weitere Fortschritt in Gefahr.
Online-Lizenz
Wenn sich herausstellt, dass DRM untauglich ist, das gestellte Problem
zu lösen, wird man über Alternativen nachdenken müssen.
Als Lösung bietet sich das altbewährte pauschalergütete
Schrankenmodell an.
Dreier/Schulze: „Die gesetzliche Lizenz erscheint überall dort
als das geeignete Instrument, wo aufgrund der Massenhaftigkeit urheberrechtsrelevanter
Vorgänge und/oder der unüberschaubaren Zahl von betroffenen
Rechteinhabern und/oder Nutzern eine Kontrolle nicht möglich
ist und Einzelverhandlungen zu umständlich bzw. zu langwierig
wären. [...] Gesetzliche Lizenzen sind dasjenige Instrument,
deren [sic!] sich das deutsche UrhG bei seinen Schrankenbestimmungen
am meisten bedient."
Tatsächlich entwickeln Medienpraktiker und Akademiker in einer
internationalen Debatte seit einigen Jahren genau dieses Modell.(26)
Hier eine kompakte Skizze, wie eine Pauschalvergütung fürs
Internet aussehen könnte:
Eine Schrankenbestimmung oder ein Gesamtvertrag erklärt das
Vervielfältigen und öffentliche Online-Zugänglichmachen
urheberrechtlich geschützter Werke für nichtkommerzielle
private Zwecke für zulässig und vergütungspflichtig.
Der zu erhebende Gesamtbetrag wird pauschal auf die Erhebungspunkte
umgelegt. Neben den bestehenden Vergütungen für digitale
Kopiergeräte und Leermedien kommt eine Pauschale auf Internetzugang
hinzu, die der ISP zusammen mit seinen Gebühren einzieht und
an eine neu zu gründende Online-Verwertungsgesellschaft abführt.
Rechteinhaber müssen, wie bei den alten VGs auch, Mitglied der
Online-VG werden und ihre Werke dort anmelden, um von der Ausschüttung
zu profitieren. Neu ist, dass jedes Werk eine Kennung erhält,
die mit dem digitalen Werkstück verbunden wird. Diese Werk-ID
dient zur Registrierung von Downloads und Streams von Servern oder
in p2p Netzen, sowie der Messung der Werknutzung in freiwillig an
einer Nielsen-artigen Erhebung teilnehmenden Haushalten. Diese Nutzungsinformationen
gehen in den Schlüssel ein, nach dem die Vergütung an die
Werkinhaber ausgeschüttet werden.
Neben der bewährten Privatkopieschranke lassen sich weitere Präzendzen
anführen: Die VG Wort verweist in ihrer Stellungnahme zum Zweiten
Korb darauf, dass das Auffinden einer Vielzahl von Rechteinhabern, um
mit ihnen individuelle Verträge abzuschließen, zu unüberwindbaren
Probleme bei der Neuauflage von Zeitschriftenjahrgängen auf CD-ROM
geführt hätte. Die Lösung dafür war eine gesamtvertragliche
Regelung. „In Bereichen, wo vertragliche Regelungen - zum Teil wegen
widersprüchlicher Interessen - nicht zum Ziel führen, sollte
versucht werden, eine Lösung in Form einer gesetzlichen oder Zwangslizenz
zu finden."(27) Auch in Bezug auf die
leidige Frage des Kopienversands dringt die VG Wort auf eine gesetzliche
Regelung, die nicht nur das Vervielfältigungs- sondern auch das
Verbreitungsrecht umfasst und den Kopienversand für zulässig
und vergütungspflichtig erklärt.(28)
Einer der Verfechter einer vergüteten Online-Schranke, Bennett
Lincoff, war Direktor der Rechtsabteilung für Neue Medien der US-amerikanischen
Verwertungsgesellschaft ASCAP der Musikautoren und -Verleger. Nach seinen
detaillierten Ausführunge kommt er zu dem Schluß:
„Das Online-Übertragungsrecht, kollektiv verwaltet und einer
gesetzlichen Lizenz unterstellt, ist das beste Modell für die
Verwaltung von Musikrechten im digitalen Zeitalter; es ist eine vollständige,
faire und machbare Lösung für das Dilemma der Online-Musiklizenzierung.
Seine Implementierung wird einen florierenden Online-Markt für
Musik ermöglichen."(29)
Eine weitere komplex ausgearbeitete Version der Pauschalvergütung
fürs Netz stammt von William Fisher, Rechtsprofessor an der Harvard
Law School und Direktor des dortigen Berkmann Center for Internet and
Society. Er geht davon aus, dass das System beim Start die durch freie
Online-Nutzung entgangenen Erlöse der Musik- und der Filmindustrie
ersetzen soll und kommt auf einen Betrag von 2,4 Mrd. US-Dollar. Umgelegt
auf die Umsätze mit Geräten, Leermedien und Diensten, die
von der freien Online-Zirkulation profitieren, errechnet er eine Vergütungshöhe
von 15,88 Prozent. Der durchschnittliche Breitbandzugang in den USA
würde sich entsprechend um 4,88 US-Dollar/Monat verteuern.(30)
Die Vorteile einer Pauschalvergütungslösung lassen sich wie
folgt zusammenfassen. Sie ...
- ist datenschutzfreundlich, da keine Personendaten erfasst und über
Jahrzehnte vorrätig gehalten werden müssen.
- macht eine massenhafte Kriminialisierung von Filesharern überflüssig
und entlastet damit nicht nur die Strafverfolgungsbehörden.
- gewährleistet eine unter staatlicher Aufsicht transparent ausgehandelte
und verwaltete Vergütung für Urheber.
- erzeugt im Vergleich zu DRM sehr viel geringere Transaktionskosten.
- ist wettbewerbsfreundlich, da marktverzerrende Effekte durch Technologiemonopole,
wie sie bei DRM zu erwarten sind, vermieden werden.
- stellt eine geringe Zugangshürde auch für kleine und mittlere
Medienunternehmen und individuelle Urheber dar.
- bietet Nutzern keinen Betrugsanreiz, da die Höhe der Zahlung
nicht von der Zahl der tatsächlich genutzten Werke abhängt.
„Was gut ist, setzt sich durch", heißt es in der Werbung, doch
im wirklichen Leben gibt es dafür leider keine Gewähr. Daher
ist die Frage berechtigt, wie realistisch es ist, dass eine Content-Flatrate
dem kostspieligen Irrweg DRM ein Ende setzt. In den USA hat das Modell
nicht nur in der akademischen, sondern auch in der öffentlichen
Debatte inzwischen eine erhebliche Umlaufgeltung erlangt. Auch in Europa
hat die Auseinandersetzung begonnen. NGOs wie Attac haben sich die Alternative
auf die Fahnen geschrieben. In schwedischen und französischen Verwertungsgesellschaften
wird sie als das bessere Modell diskutiert und selbst Vertreter der
Musikindustrie sagen mehr oder weniger offen, dass es letztlich keine
andere Lösung geben kann. Rückendeckung gibt es selbst von
höchster Ebene. In einem Bericht des EU-Parlaments über einen
angestrebten Gemeinschaftsrahmen für Verwertungsgesellschaften
aus dem Dezember 2003 heißt es:
„Das Europäische Parlament [...] 31. [...] betont, dass Verwertungsgesellschaften
die wichtigste Option für den wirksamen Schutz des Urheberrechts
des Künstlers darstellen [... und] dass die Einführung einer
angemessenen Pauschalvergütung als Kompensation für die
freie Vervielfältigung zu privaten Zwecken die einzige Möglichkeit
zur Sicherung eines gerechten Entgelts für die Urheber und eines
leichten Zugangs der Nutzer zu den Werken geistigen Eigentums darstellt
und nicht durch Digital Rights Management Systeme (DRMS) ersetzt werden
kann."(31)
Es besteht somit berechtigte Hoffnung, dass sich das, was gut ist,
tatsächlich durchsetzen wird und wir zu einem fairen Interessenausgleich
im digitalen Zeitalter kommen werden, den der Stanforder Rechtsgelehrten
Lawrence Lessig auf die Formel gebracht hat: Kompensation ohne Kontrolle.
Endnoten
1. Hugenholtz et al., 2003, S. 13 mit Verweis auf
auf einen im September 2001 vom Australian Copyright Council vorgelegten
Bericht.
2. Vgl. Hugenholtz et al., 2003, S. 10
3. William W. Fisher III, Promises to Keep. Technology,
Law, and the Future of Entertainment, Stanford University Press, 2004,
Pre-Prints auf http://www.tfisher.org/PTK.htm
4. Nachzulesen in: ZUM, Jahrg. 47, Sonderheft 2003
„Urheberrecht in der Informationsgesellschaft -- Auftakt zum zweiten
Korb.
5. Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz. Kommentar,
Beck, München 2004, § 53, 1.
6. „Restriktions-Management" wird verwendet, um
Techniken zur Erzwingung der Einhaltung von Lizenzbedingungen auf den
Geräten der Nutzer zu bezeichnen und dieses spezifische Bedetung
vom üblicheren „Digital Rights Management" abzugrenzen, das zunehmend
für alles verwendet wird, was mit digital ist und mit Rechten zu
tun hat, einschließlich der Freiheitsrechte von Nutzern. Unter
einem solchen extrem weiten Begriff ließen sich dann auch Konzepte
fassen, die ausdrücklich als Alternative oder Abwehr von DRM entwickelt
wurden, z.B. die Creative Commons-Lizenzen (s. http://creativecommons.org)
oder die Content-Flatrate (s. unten). Der Begriff „Digital Restrictions
Management" wurde geprägt von Richard Stallman (s. Some Confusing
or Loaded Words and Phrases that are Worth Avoiding, ohne Datum, http://www.gnu.org/philosophy/words-to-avoid.html#DigitalRightsManagement).
7. DRM „zum gegenwärtigen Zeitpunkt technisch
noch nicht ausgereift" (Stellungnahme des Deutschen Kulturrates zur
Vorbereitung eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in
der Informationsgesellschaft (»Zweiter Korb«), 11. Dezember 2003, http://www.kulturrat.de/aktuell/Stellungnahmen/korb2.htm)
8. „... ist unbestreitbar, dass es bis heute noch
kein technisch ausgereiftes DRM-System gibt, welches nicht mit einfachsten
Mitteln auch von Laien ‚geknackt' werden kann." (Stellungnahme der VG
Wort zu den Fragen des BMJ zur weiteren Reform des Urheberrechts in
der Informationsgesellschaft (»Zweiter Korb«) vom 30. Oktober 2003,
http://www.urheberrecht.org/topic/Korb-2/st/2003/vgwort-2003-10-30.pdf)
9. „At present, DRMS have not yet proved widely
acceptable to all players as not all the problems associated with technical
protection measures and DRMs have been ironed out." (Commission Staff
Working Paper, Digital Rights. Background, Systems, Assessment (SEC(2002
197), Brussels 14.2.2002, S. 3, http://europa.eu.int/information_society/topics/multi/digital_rights/doc/workshop2002/drm_workingdoc.pdf)
10. „Although the study has been written by experts
in the subject, it should be emphasized from the start that many aspects
of digital rights management remain speculative. To date, there are
no extensive implementations..." (WIPO, Current Developments in the
Field of Digital Rights Management (SCCR/10/2), prepared by prepared
by Jeffrey P. Cunard, Keith Hill, and Mr. Chris Barlas, August 1, 2003,
http://www.wipo.org/documents/en/meetings/2003/sccr/pdf/sccr_10_2.pdf)
11. „‚Es gibt gut funktionierende und sichere
Technologien. Warum sie im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt werden,
lässt sich auch durch die neuerlichen Ausführungen der Bundesregierung
nicht nachvollziehen', so Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer
des BITKOM." (Bitkom Pressemitteilungen, Das Internet braucht keine
Pauschalabgaben, 14.11.2002, http://www.bitkom.org/index.cfm?gbAction=gbcontentfulldisplay&ObjectID=4C42FADA-EAF1-4EDB-96DA36F1B2E929A0&CategoryNodeID=5BE1705E-9CB6-4C57-80DBAC4DC9F61C08&MenuNodeID=4C872DB6-8470-4B01-A36FD8C1EBA2E22D)
12. Peter Biddle, Paul England, Marcus Peinado
und Bryan Willman (Microsoft Corporation), „The Darknet and the Future
of Content Distribution", 2002 ACM Workshop on Digital Rights Management,
November 18, 2002, Washington DC, http://crypto.stanford.edu/DRM2002/darknet5.doc
13. „We conclude that given the current and foreseeable
state of technology the content protection features of DRM are not effective
at combating piracy." (Stuart Haber, Bill Horne, Joe Pato, Tomas Sander,
Robert Endre Tarjan (Trusted Systems Laboratory, HP Laboratories Cambridge),
If Piracy is the Problem, Is DRM the Answer? HPL-2003-110, Mai 27 th,
2003, http://www.hpl.hp.com/techreports/2003/HPL-2003-110.pdf)
14. "My personal oppinion (not speaking for IBM)
is that DRM is stupid because it can never be effective and because
it takes away existing consumer rights." (David Safford, IBM Research,
„Clarifying Misinformation on TCPA", Oktober 2002, http://www.research.ibm.com/gsal/tcpa/tcpa_rebuttal.pdf)
15. "Digital files cannot be made uncopyable,
any more than water can be made not wet." (Bruce
Schneier
, The Futility of Digital Copy Prevention,
in: Crypto-Gram Newsletter, Mai 15, 2001, http://www.schneier.com/crypto-gram-0105.html#3)
16. „It's baffling to me that the content industries
don't look at the experience of the software industry in the 80's, when
copy protection on software was widely tried, and just as widely rejected
by consumers." (Tim O'Reilly interview: Digital Rights Management is
a Non-starter, Stage4, 27/07/03, http://stage4.co.uk/full_story.php?newsID=272)
17. Zu FairPlay s. http://en.wikipedia.org/wiki/FairPlay
18. Steve Jobs: The Rolling Stone Interview, December
03, 2003, http://www.rollingstone.com/features/featuregen.asp?pid=2529
19. „The snake oil of control." (Andrew Orlowski,
Why wireless will end 'piracy' and doom DRM and TCPA - Interview with
Jim Griffin, The Register, 11/02/2004, http://www.theregister.co.uk/content/6/35498.html)
20. Ebd.
21. Die Content-Industrien haben sich immer wieder
des Verstoßes gegen Wettbewerbsregeln schuldig gemacht. So verschickten
die fünf Oligopole der Musikindustrie vor kurzem in den USA Millionen
von Dollar an ihre Kunden, weil ihnen illegale Preisabsprachen in den
Jahren 1995 bis 2000 nachgewiesen wurden. (Geldsegen. Musikkonzerne
verschickten Schecks an drei Millionen Kunden, Spiegel Online, 21. Februar
2004, http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,287478,00.html)
22. Hubert Gertis auf dem Symposium „DRM und Alternativen",
Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik der Humboldt-Universität
zu Berlin, 30./31. Januar 2004, http://waste.informatik.hu-berlin.de/Grassmuck/drm/.
Im gleichen Sinne: „DRM systems might be operated by big producers only."
(Jörg Reinbothe, "Private Copying, Levies and DRMs against the
Background of the EU Copyright Framework", auf der Konferenz "The Compatibility
of DRM and Levies", Brussels, 8 September 2003, http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/intprop/news/2003-09-speech_en.htm)
23. Richard Owens (Leiter der Abteilung Urheberrecht
im WIPO-Sekretariat), auf dem Transatlantic Consumer Dialog (TACD) Meeting
zum Urheberrecht, Brüssel, 4. Februar 2004.
24. So hat die EU-Kommission im März 2004
nach einem vierjährigen Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft eine
empfindliche Geldstrafe wegen Monopolmissbrauchs verhängt und das
Unternehmen gezwungen, seine Betriebssysteme künftig ohne den Media
Player auszuliefern, um Wettbewerbern eine Chance zu geben. Die Media
Player-Software ist für die Verbraucher die zentrale Schnittstelle
zu Microsofts DRM-Infrastruktur.
25. „DRM systems might be operated by big producers
only, which may not pass on the revenues to authors and other non-corporate
rightholders as collecting societies do according to their distribution
keys. Individual rights management based on DRMs may, therefore, not
ensure that all rightholders get their ‚fair share'." (Reinbothe (2003),
op. cit.)
26. Eine Linksammlung zu den wichtigsten Quellen
dieser Debatte: http://www.crosscommons.org/acs.html.
27. Stellungsnahme VG Wort, op. cit.
28. Ebd., s. Vorschlag für eine neue Schranke
§ 52 b Kopienversand auf Bestellung
29. Bennett Lincoff, A Full, Fair And Feasible
Solution To The Dilemma of Online Music Licensing, New York, New York
November 22, 2002, Abs. 144, http://www.quicktopic.com/boing/D/uhAMNwVb8yfkc.html
30. William W. Fisher III, Chapter 6: An Alternative
Compensation System, digitales Pre-Print aus: Promises to Keep. Technology,
Law, and the Future of Entertainment, forthcoming, Stanford University
Press, 2004, http://www.tfisher.org/PTK.htm
31. Der Bericht ist zugleich ein gehörige
Rüge der realexistierenden Verwertungsgesellschaft. Im selben Artikel
31. betont das EU-Parlament, „dass sie nach dem Prinzip der Transparenz,
der Demokratie und der Beteiligung der Künstler arbeiten müssen."
Transparenz wird in fast jedem zweiten Artikel anGEMAhnt. (European
Parliament Report on a Community framework for collecting societies
for authors' rights (2002/2274(INI)), A5-0478/2003, Committee on Legal
Affairs and the Internal Market, Rapporteur: Raina A. Mercedes Echerer,
11 December 2003, http://www2.europarl.eu.int/omk/sipade2?SAME_LEVEL=1&LEVEL=4&NAV=X&DETAIL=&PUBREF=-//EP//TEXT+REPORT+A5-2003-0478+0+DOC+XML+V0//EN.)
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