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Schließungen und Öffnungen

Medientheoretische Anmerkungen zu Otaku und Fikusâ (1)

für

Niels Werber, Rudolf Maresch (Hrsg.)
Kommunikation, Medien, Macht
Suhrkamp, FfM 1997

(c) Volker Grassmuck
V 2.1 (6/97)

 

Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, haben wir uns gemeinhin angewöhnt, als Konstruktionen zu begreifen. Dies nicht etwa, weil konstruktivistische Epistemologie in den Lehrplan der Grundschulen aufgenommen worden wäre. Schuld daran sind die Medien, allen voran das Fernsehen und der Computer. Die MIT-Psychologin Sherry Turkle stellt in ihrer Untersuchung über Online-Kulturen fest, daß Computer-Welten ganz "natürlich" ein Nachdenken über einen Satz von Ideen "evozieren", die unter dem Namen "Postmodernismus" bekannt sind. Daß Identitäten und Kommunikationen konstruiert sind, sei selbst Kindern und Jugendlichen evident.(2)

Der radikale Konstruktivismus beruht auf der paradox anmutenden Behauptung, je operativ geschlossener ein System, desto umweltoffener sei es. Hier soll versucht werden das Davor und ein mögliches Danach dieser konzeptionellen Innovation zu skizzieren. Ausgegangen wird von der Überlegung, daß historische, soziokulturelle Kontexte, Ideen und Artefakte, hier vor allem Medien, zusammenhängende Felder oder Frames of Mind bilden. Dabei zielt die Übung weniger auf eine epistemologische Revision, als auf eine Medienwissenschaft, die sich mit Fernsehen und Computer ebenso wie mit ihren Evokationen und Evidenzen unter den Bedingungen der Turing Galaxis(3) befaßt.

Die Wirklichkeit ist immer das, was ein System konstruiert, doch ist dieser Prozeß nicht zu trennen von den organisch-physikalisch-chemisch-technischen Interaktionen eines Systems mit seiner Umwelt. Gegen Luhmanns Programm einer säuberlichen Isolierung der Sphäre sozialer Systeme geht es einer Theorie der Mittler und Medien genau um die Verkettungen und Vernetzungen zwischen diesen Ebenen; um "die Verkehrsknoten und Kreuzungen von Individuen, Institutionen und Dingen" (Latour); um die heterogenen Elemente, die "Rhizom machen" (Deleuze/Guattari).

 

Erstens -- Worin ein Krieg zuende geht, neue Aus- und Durchblicke sich öffnen, Komplexität und Interdisziplinarität in die Welt kommen und ganz allgemein die Ursprünge der Turing Galaxis gelegt werden

Im 2.Weltkrieg rückte der Zuwachs an Komplexität,(4) Mobilität und Reichweite des Kriegsgeräts Fragen der Kommunikation, Steuerung und Kontrolle in den Vordergrund. In den verschiedenen militärischen Großforschungsprojekten -- Raketentechnologie in Peenemünde, Kryptographie in Bletchley Park, Atomtechnologie im Los Alamos -- arbeiteten zehntausende von Wissenschaftlern aus den unterschiedlichsten Disziplinen zusammen, neben Ingenieuren, Mathematikern und Naturwissenschaftlern auch Humanwissenschaftler. Aus diesem Feld der Interdiziplinarität ging die Kybernetik hervor. An ihrem Anfang steht eine Tautologie: "Information ist Information und nicht Materie oder Energie." (N.Wiener).(5) Darin lauert für die zweiwertige Logik das Greul der Selbstreferenz, das Paradox der Autologik. Die Kybernetiker treibt im Gegenteil das Erstaunen, wie viel man mit einer Tautologie sagen kann.(6)

Die Kybernetik wollte keineswegs eine Universaltheorie der Welt sein. Sie interessierte sich für eine bestimmte Klasse von Prozessen (Rückkopplungssteuerung, intrinsisch zielgerichtetes Verhalten, Servo-Mechanismen). Die durch die Kybernetik initiierte geistige Revolution faßt von Foerster darin zusammen, daß sie einer (motorischen) Maschine einen Sensor hinzufügte. Er beschreibt das Grundschema der Rückkopplungssteuerung so:

Das vom Sensor (S) produzierte Signal, der den (externen) Zustand des Systems (Maschine, Organismus) darstellt, wird mit einem Signal verglichen, das den gewünschten Zustand, den "Sollwert, das "Ziel" (goal), bei einem Comuter (comp.) repräsentiert, der wiederum den Effektor (E) informiert, eine Korrektur vorzunehmen, je nach dem ob der gewünschte Zustand überschritten oder noch nicht erreicht wurde. (7)

Nach diesen Steuerungs- und Organisationsprozessen durchsucht die Kybernetik ihre diversen Gegenstandsbereiche und "findet" sie in mathematischen Gebilden, in elektrischen Maschinen, in Polypen und Ameisen, im Gehirn, in der Psyche usw.usw.(8)

Für die frühe Kybernetik waren Systeme notwendig offen. Zum einen war man sich aus der Thermodynamik bewußt, daß geschlossene Systeme der Entropie unterliegen. Zum anderen war ein System immer im Horizont seiner Umwelt zu denken, mit der es über Sensoren und Effektoren im Austausch steht. Die Kybernetik wählt sich also als das sie konstituierende Thema die Interaktion.

Das Oberthema, unter dem N.Wiener zufolge alle sensoeffektorischen Mechanismen zu koppeln seien, ist Kommunikation. "The unifying idea of these diverse disciplines is the MESSAGE, and not any special apparatus acting on messages."(9) Der "Computer" des Schemas erhält seine universelle Formulierung durch Alan Turing.(10) Die Verschaltungen von Signalflüssen wurden von Claude Shannon ausgearbeitet,(11) und erhalten ebenfalls eine universalgültige Formulierung.

Wenn wir ein Medium zunächst ganz allgemein als ein Signalübertragungssystem auffassen, können wir die S und E der Abbildung als Anschlußpunkte einer Medientheorie an die Kybernetik verwenden. Schließlich sei auf das "Ziel" hingewiesen, das die frühen Kybenetiker als so zentral für ihren Gegenstand ansahen, daß sie von "teleologischen Maschinen" sprachen. Der Stellwert (im kanonischen Beispiel des Thermostaten die eingestellte Temperatur) wird von außen vorgegeben. Er ist Vorraussetzung, aber bei dieser Klasse von einfachen Mechanismen nicht selbst Gegenstand des Operierens.

 

Zweitens -- Worin Systeme in Schwingung geraten, weil ihre Grenzen sich schließen, das Soziale sich mit post-humanen Entitäten bevölkert, und worin der Otaku regiert

Gehört das eben skizzierte Feld in die Kriegs- und unmittelbare Nachkriegszeit, so können wir das in diesem Kapitel Gesagte zeitlich den 50er bis 70er Jahren zuordnen. Es dominiert weiterhin ein reduktionistisches Verständnis der Welt (Atomismus, Mechanizismus, Universalismus). Es überwiegt ein Interesse am Phänomen der Schließung und an geschlossenen (z.B. semantisch geschlossenen) Systemen. Die wichtigsten Operationen der Komplexitätsbewältigung sind Analysieren und Synthetisieren; Planen, Machen, Steuern. Die symbolistische KI versteht unter "Denken" das Verarbeiten von Symbolen und führt damit eine zerebral-zentrierte Einseitigkeit ein. Macht organisiert sich in zentralisierten hierarchischen Systemen.

Dieselben Strukturen finden sich in Rechnerarchitekturen (der zentralistische, lineare von-Neumann-Flaschenhals(12)), Software (strukturiertes Programmieren), Datennetzen (das Telekommunikations-Paradigma: leitungsorientiert und zentral vermittelt; sternförmige Netze(13)). Computersysteme sind durch hardware-spezifische proprietäre Technologie gegeneinander abgeschottet (wenn man so will: "operational geschlossen"). In Medien dominieren die Massenmedien mit ihrer Zentrum-an-Alle-Koppelung. Sie vereinheitlichen und globalisieren Weltbilder und sie konzentrieren sich zu "Medien-Konglomeraten".(14) In der Kybernetik entspricht dieser Set der "post-humanistischen" Fraktion (die Neurophysiologen, KI'ler, allgemein die Naturwissenschaften und in der Soziologie der Funktionalismus Luhmanns). Der Mensch gilt ihnen als Servo-Mechanismus, als "prinzipiell entscheidbare Frage" (von Foerster).

Für diesen Set möchte ich die Figur des Otaku nutzbar machen. Otakus sind operational geschlossenen Systeme. Ihr Referenzsystem ist ein Gegenstandsbereich (Dingwelt oder Ideen), obgleich es wichtige Operationen gibt, die auf gleichgesinnte Otakus referieren. Wenn sie über interpersonale Beziehungen nachdenken, tun sie das im Modus eines Gegenstandsbezugs. Sie sind nicht interaktiv. Sie interessieren sich für geschlossene Systeme, für Bereiche, in denen man virtuell alles wissen kann. Sie mögen die Grenzen des von ihnen gewählten Systems ausloten, aber sie überschreiten sie nicht.

 

Maturana

Der Biologe und Epistemologe Humberto Maturana entwickelte Anfang der 1960er in Untersuchungen über das Froschauge seine Theorie der operativen Geschlossenheit des Nervensystems. Grundlage dafür ist die Unterscheidung in das, was ein außenstehender Beobachter, der das System zusammen mit dessen Umwelt sieht, erkennen kann, (das oben beschriebene Modell) und das, was das System selbst erkennen kann. Hier wieder in der Formulierung von Foersters:

... der Organismus selbst [hat] keine Möglichkeit, "aus sich" herauszutreten: das einzige, was er "weiß", sind die Wahrnehmungswechsel, die er teilweise durch seine eigenen motorischen Aktivitäten kontrollieren kann. In anderen Worten, für den Organismus ist es prinzipiell unmöglich zu entscheiden, ob die Schleife, die den Effektor mit dem Sensor verbindet, innerhalb oder außerhalb seiner selbst liegt. Wollte man also eine Theorie des Organismus ohne den Anspruch auf einen außenstehenden Beobachter entwickeln, dann muß die Effektor/Sensor-Verbindung [...] innerhalb des Organismus liegen. (15)

Wenn lebende Systeme als zwar energetisch offen, aber operational geschlossen betrachtet werden, drängt sich die Frage auf, wie sie "in der Welt" sein können. Maturana prägt hierfür den Begriff Perturbation, den man sich als eine Art Resonanz vorstellen kann. Auch im Falle einer Saite oder einer elektrischen Spule sind es die Struktureigenschaften dieser Gegenstände, die bestimmen, welche Umweltereignisse sie zum Mitschwingen bringen. Ereignisse in der Umwelt können Strukturveränderungen im sich selbst organisierenden (Nerven-)System nur auslösen, aber nicht bestimmen.

Daß die Folgen dieser Strukturveränderungen einem externen Beobachter als "angemessen" erscheinen, begründet sich darin, daß es phylo- und ontogentisch in struktureller Koppelung mit seiner Umwelt entstanden ist. Den gesamten Prozeß der strukturgekoppelten Selbstorganisation und Reproduktion lebender Systeme nennt Maturana Autopoiesis.

Das Nervensystem ist demzufolge kein Input/Output-Modell. Zu seiner Definition (d.h. zu seiner Organisation) gehören keine Ein- und Ausgänge. Die Interaktionen, die im ursprünglichen kybernetischen Modell über zur Umwelt hin offene Sensoren und Effektoren liefen, werden jetzt zu Modulationen innerhalb einer Einheit mit operationaler Geschlossenheit. Wirklichkeit ist also ein internes Korrelat der Systemoperationen. In anderen Worten: Das Nervensystem "empfängt" keine "Information", wie man häufig sagt. Es bringt vielmehr eine Welt hervor, indem es bestimmt, welche Konfigurationen des Milieus Perturbationen darstellen und welche Veränderungen diese im Organismus auslösen.(16) Gewonnen ist damit ein Verständnis für die Strukturkomplexität und die Autonomie eines Systems, die es ihm erlaubt, komplexere Welten hervorzubringen. Der Preis dafür ist, daß die Schnittstellen des Systems zu seiner Umwelt und die Interaktionen, die darüber vermittelt werden, aus dem Blickfeld geraten.

 

Soziale Systeme

Niklas Luhmann führt Maturanas Begriff der Autopoiesis in die Untersuchung sozialer Systeme ein. Um eine Produktion und Reproduktion der konstitutiven Komponenten eines Systems aus seinen eigenen Operationen im Feld der Soziologie zu begründen, wählt er als diese Komponenten Kommunikationen. Wie Maturana materielle und energetische Austauschprozesse eines biologischen Systems mit seiner Umwelt aus seinem Operieren ausgeschlossen hatte, grenzt Luhmann die Bestandteile sozialer Systeme gegen technische und psychische Systeme ab. Auch Luhmann unternimmt große Anstrengungen, das, was bei ihm nicht mehr Perturbation, sondern Irritation heißt, ohne Übertragung zu erklären.

Mit der Initialzündung des Buchdrucks gehe "die" Gesellschaft in das Stadium der funktionalen Differenzierung über. Danach erscheinen alle technischen Neuerungen als Verbreitungsmedien,(17) mit Ausnahme der Massenmedien, die sich zu einem eigenständigen Funktionssystem der Gesellschaft ausdifferenzieren.(18) Wie alle Kommunikationen erzeugen die der Massenmedien Bekanntheit (Redundanz). Das Besondere ist, daß sie dies in einem Gesellschafts"ganzen" tun.

Die Massenmedien streuen Information so breit, daß man im nächsten Moment unterstellen muß, daß sie allen bekannt ist (oder daß es mit Ansehensverlust verbunden wäre und daher nicht zugegeben wird, wenn sie nicht bekannt war). (19)

Eine solche Vorstellung einer gesellschaftsweit einheitlichen Informiertheit und Kultiviertheit "passt" zu Luhmanns Bestrebung, über ein von ihm konstruiertes Gesellschaftsganzes zu sprechen. "Passen" mag es auch zu einer Medienlandschaft aus drei Fernsehkanälen und einer Vollzeitung. In der pluralisierten Gegenwart mit Satelliten- und Kabelfernsehen und dem World Wide Web ist es anachronistisch. Geht man, wie hier vorgeschlagen, von der klassischen sensoeffektorischen Koppelung aus, so wird offenkundig, daß bei Massenmedien für den Zuschauer der effektorische Aspekt fehlt. Ich kann durch das TV fern-sehen, aber nicht fern-handeln. Deshalb "passen" sie so gut zu Luhmanns Absicht, das Handeln zugunsten des Beobachtens auszuschalten.

 

Otaku

Beschreibt man menschliches Operieren in Begriffen von Turing Maschinen und soziale Systeme in technisch orientierten kybernetischen Begriffen wie Koppelung, Kalkül, Input-Output usw., so hat dies den Vorteil, daß die so beschriebenen Systeme anschlußfähig sind an Beschreibungen in Mathematik, KI, Neurowissenschaften, Linguistik usw. (alle Wissenschaften, die sich mit dem Menschen befassen und hinreichend computerisiert sind). Der Nachteil eines solchen Verfahrens liegt darin, daß technische Begriffe sich bei ihrer Anwendung auf soziale Systeme als störrische Kategorien herausstellen. Ferner verleitet es dazu zu vergessen, daß Menschen mehr sind als Derivate, als Sekundäreffekte der Kommunikation.

In der Tradition von Figuren wie dem Dandy (Benjamin) und dem DatenDandy (BILWET(20)) möchte ich zwei Funktionsbündeln von Systemen die Namen Otaku und Fikusâ geben -- zwei Grundkonstellationen, gleichsam Archetypen medialer Sozietät. Der erste steht für die Qualität der operationalen Schließung, der zweite für transitive oder transversale Operationen.

Der Otaku ist, ganz klassisch,(21) ein zurückgezogenes, scheues Wesen, das monomanisch einem Interessengebiet nachgeht, in dem Bestreben, dieses vollkommen zu beherrschen, darin Meisterschaft zu erlangen und dafür nur zu bereitwillig den Preis zu zahlen, alles andere völlig auszublenden; der Wizard, der Hacker, der Fachidiot; das "operativ geschlossene System". Um Maturana zu paraphrasieren: Der Otaku ist das Resultat eines ontogentischen Driftens von Einheiten, die um ihre eigene Dynamik von Zuständen zentriert sind.

"Otaku" hat eine spezifische Wortgeschichte in der japanischen Jugendkultur. Inzwischen organisieren unter diesem Namen (mit den zu erwartenden Brüchen im Transfer) Jugendliche in aller Welt ihre Selbst- und Fremdreferenz. Sammler, Bastler, Eigenbrödler, schrullige Figuren, die sich monomanisch in eine Sache versteigen, sich Anschlußkommunikationskontexten entziehen, hat es immer gegeben. Doch als sozialpsychologische Figur ist der Otaku erst möglich mit dem Versickern der Verbindlichkeit von Sozialisationsumgebungen. Selbst die hautnahen Wirklichkeitsproduktionsmaschinen wie Familie und Arbeit werden kontingent. Otakus leben z.T. bei ihren Eltern, aber kommunikationslos. Sie machen keine Karriere, sondern Jobs. Jede Zuordnung zu sozialen Zusammenhängen wird optional. Heute gibt es Märkte mit Zielgruppen, die tendenziell auf den Wert 1 konvergieren. Das "operativ geschlossene System" als Endprodukt sozialer Desintegration lebt unter dem Motto "Allein aber nicht einsam".

Der Otaku kommuniziert aus seiner Monade heraus sehr wohl mit Gleichgesinnten. Kerngruppe ist der "Zirkel." Dem Populärkulturforscher Kyoichi Yamazaki zufolge wäre ihr Kommunikationssystem besser als Netzwerk zu bezeichnen, denn als Community.(22) Auch innerhalb dieser Kanäle ist ihre Kommunikationsweise nicht interaktiv. Ihre Äußerungen erlauben keine Anschlußkommunikationen, außer einer Überbietung durch neuere oder noch esoterischere Informationen.

Die hauptsächlichen Unterrubriken des Otaku sind der Sammler, der Fan, und der Hacker. Als Beispiel sei eine erst seit kurzem zu beobachtende Ausdifferenzierung eines operational geschlossenen Systems angeführt, die Welt der Telefonkartensammler. Ein neues sammlungsgeeignetes Phänomen tritt auf. Aus anderen Sammler- und Nicht-Sammlerkreisen differenziert sich daran ein neues System aus, formt seine Identität durch Abgrenzung von System und Umwelt. Es bilden sich eigenständige Codes und dem jeweiligen Gegenstandbereich angemessene Operationen; ein eigenständiges Weltwissen mit einer Taxonomie und Axiomatik der Welt. In jedem Sammelgebiet (gleich ob Briefmarken, Orangenpapierchen oder Telefonkarten) spiegelt sich, wie in dem Bruchstück eines Hologramms, die ganze Welt. Besser als von Spiegel spräche man von Filtern, durch die aus dem Kontinuum der Erscheinungen das auf das eigene Spielbrett fällt, was "passt". Neben Koppelungen durch Präsenzkommunikation (Stammtische, Vereine, Messen), treten konstitutiv Medien für die Telekommunikation (Zeitschriften, Websites(23)). An diesem Beispiel wird man auch leicht erkennen, daß ein Funktionsbegriff als Grundlage für eine derartige Ausdifferenzierung wenig sinnvoll ist. Telefonkartensammler haben keine "Funktion" für "die Gesellschaft".

"Otaku" und "Fikusâ" sind offensichtlich systemische Funktionen, komplementäre Bündel von Operativität.(24) Sie treten auch als individuelle kommunikative und informationelle Kompetenzen in Erscheinung, als Rollen, als Menschen. In jedem Unternehmen, jeder Arbeitsgruppe wird man beide Figuren finden. Außerdem werden die meisten von uns zu zeiten im Otaku-Modus operieren, zu anderen im Fikusâ-Modus.

 

Drittens -- Worin Lösungen nicht mehr gemacht sondern gezüchtet werden, sich die operativen Schließungen zu einer Interopabilität des Vielfältigen öffnen und der Fikusâ dem Otaku das Zepter aus der Hand nimmt

Daß Cybernation einmal als Epochenmarker diente ist fast vergessen. Die Kybernetik hat mit dem Ende des sozialistischen Großexperiments seine letzte Heimstatt verloren. Jetzt kann sie in der Vorsilbe Cyber-, vor allem in der Zusammensetzung Cyberspace (Gibson), wiederkehren. Zentrale Begriffe dieses zweiten Mind-Sets sind Interface(25) und Interaktivität. Fragen von Anschlußfähigkeit oder Kompatibilität von Heterogenem treten in den Vordergrund, der Interoperabilität von Maschinen, von Menschen und von Maschinen und Menschen untereinander.

In dieser Phase ereignet sich der Übergang vom Großrechner zur Workstation und zum PC. Der Computer wird als Medium (Licklider(26)) erkennbar und als Komponente "medialer Interaktion" (Faßler(27)). An die Stelle der Konzepte vom zentralisierten "Kommando und Kontrolle", der "totale Systemsteuerung"(28) und der proprietär abgeschlossenen Konfigurationen von Hard-, Soft- und Netware (versinnbildlicht durch IBM), tritt jetzt die Notwendigkeit, heterogene Komponenten zu Systemen zu integrieren.(29) Hier wird deutlich, daß Systeme neben einem "Abschließungstrieb" (Otaku), gerade wenn es sich um mediale Systeme handelt, immer auch einen "Anschließungsstrieb" (Fikusâ) haben.

An die Stelle der militärisch-industriellen top-down Programmierparadigemen der vorangegangen Phase tritt jetzt das Kommunikationsnetz interagierender Software-Module der Objektorientierung.(30) Manuel De Landa sieht diese Entwicklung im Rahmen einer Verschiebung der Steuerung vom menschlichen Körper zur Hardware der Maschine, dann zur Software, dann zu den Daten, und schließlich hin zu Ereignissen in der Umwelt der Maschine. Den Unterschied zwischen dem 1.Set und dem 2., der hier entwickelt wird, benennt De Landa mit Hierarchien, die durch Planung produziert werden, und Maschennetze, die durch Drift wachsen.(31)

Das Maschinische ist in die Basis des wissenschaftlichen wie alltäglichen Denkens abgesunken. Seit den 80er Jahren wird die biologische Seite derart hervorgekehrt, daß man von einem neuen Darwinismus sprechen muß. Es handelt sich dabei nicht um eine einheitliche Theorie, sondern um ein Feld, das sich aus verschiedenen Richtungen speist. In der KI ist damit der Übergang vom Symbolismus zum Konnektionismus gemeint. Während der Symbolismus -- ganz im Sinne Luhmanns -- nur noch Beobachten simuliert, betont der Konnektionismus den Handlungsaspekt der sensoeffektorischen Rückkoppelungsschleife. Sinnbild des Symbolismus ist ein Expertensystem mit einer gewaltigen Datenbank der Elemente und Verknüpfungen des Weltausschnitts, den es repräsentiert. Das konnektionistische Gegenstück ist ein freibeweglicher Roboter mit einem Netz von Prozessoren in seinem Körper, die lokal operieren und nur, wenn sie an Grenzen stoßen (z.B. eines der Beine hängenbleibt), ein Signal an das im Vergleich zum Expertensystem geradezu atrophierte Großhirn senden. Hier ein metastasiertes Gehirn, das auf Fragen hin aus seinem in sich geschlossenen Operieren Beobachtungen hervorbringen und mitteilen kann. Dort ein "holistischer", auf jeden Fall körperlicher Organismus, der handgreiflich mit seiner Umwelt interagiert.

Auch bei der Simulation der Vorgänge im Gehirn setzt der Konnektionismus nicht auf der abstrakten Ebene der Symbole an, sondern an seinem körperlichen Substrat, den Nervenzellen, ihrer vergleichsweise einfachen inneren Struktur, ihrer Topologie, den Gewichtungen ihrer Signalflüsse. Denken ist danach nicht mehr direkt das Produkt des Software-Ingenieurs, vielmehr emergiert es aus den lokalen Wechselwirkungen der Neuronen, die sich durch zirkuläre Koppelung an eine Umwelt strukturieren. Die populäre Metapher vom Gehirn als Computer sei schlichtweg falsch, sagte Maturana. In ihrer Umkehrung wird sie fruchtbar. Neuronale Netze sind vielleicht die interessanteste Frucht vom "Baum der Erkenntnis".(32)

Simulieren Neuronetze die ontogenetische Strukturierung, so setzen genetische Algorithmen(33) an den phylogenetischen Mechanismen an. Wie aus dem Schulbuch der Vererbungslehre paaren sich Eigenschaftslisten mit Cross-over und Mutation, um Abkömmlinge hervorzubringen, die sich wiederum in einer Problem-Umwelt zu bewähren haben, um ihr Erbgut in die nächste Runde zu bringen. Liegt die Stärke von Neuronetzen in Mustererkennung, so haben sich genetische Algorithmen als vielversprechend für Probleme der Optimierung erwiesen.

In allen angeführten Fällen geht es um Prozesse der Selbstorganisation in Koppelung an ein Umwelt. Diese Koppelung wird jedoch im Gegensatz zum vorangegangenen Mindset als immer auch körperliche gedacht. Die Motorik, der Phänotyp, das Verhalten sind entscheidend für die Art, wie diese Systeme in der Welt sind.

 

Sensoren und Effektoren

Um diese Entwicklungen aufnehmen zu können, muß man wider die stiefmütterliche Behandlung der Sensoren und besonders der Effektoren im Konstruktivismus argumentieren. Die "extrem eingeschränkte[n] strukturelle[n] Kopplungen im Verhältnis zur Umwelt"(34) müssen geweitet werden. Die "physikalische Schmalspurigkeit von Augen und Ohren"(35) ist auf zwei Weisen erweitert zu denken. Zunächst sind sie keine selbständigen Pforten der Wahrnehmung, sondern erfüllen ihre Funktion nur in Synchronisation mit Hand und Sprechapparat. In der unaufhörlichen Koordination von Sensoren und Effektoren sind innerhalb der Schmalspurigkeit hochpräzise Fokussierungen möglich. "Der Schlüssel zur Perzeption sind nicht die Sinnesorgane allein, sondern ihr Wechselspiel mit dem Bewegungsapparat; oder, wie mein Freund Humberto Maturana zu sagen pflegte: ´Man sieht mit den Beinen.´"(36) Außerdem sind zu beiden sekundäre, technische S und E hinzuzudenken, die die Bandbreite möglicher Wahrnehmbarkeit auf das gesamte elektromagnetische Spektrum ausweiten.

Die S und E, die im vorangegangenen Kapitel ins Systeminnere verlagert wurden, rücken demnach wieder auf die Systemgrenze. Sie haben einen janusköpfigen Charakter. Sie sind eine Schnittstelle mit einer Innen- und einer Außenseite und der sie kennzeichnenden Operation der Transponierung von Signalen. Sie registrieren etwas und wirken auf etwas ein, was für das System "erkennbar"(37) außerhalb seiner selbst liegt. "Beobachten" ist als Unterscheidung eine Operation des Systems, doch da sie auf "Auslösungen" aus der Umwelt beruht, handelt es sich um eine immer auch transitive Operation, ebenso wie "Kommunizieren" und "Handeln". Von Foerster betont immer wieder: "Alles was gesagt wird, wird zu jemandem gesagt." Gegenstände und Empfänger sowie eine Wirkung des Systems auf sie sind also immer schon impliziert.

Jeder Sensor hat eine bestimmte Empfindlichkeit, eine Bandbreite möglicher Umweltereignisse, durch die er angesprochen werden kann. Der Sensor filtert aus dem unendlichen Kontinuum der Umwelt einen eingeschränkten Möglichkeitsraum von Wahrnehmbarkeit heraus. Im Vergleich zum möglichen Spektrum von Signalen, auf die technische Sensoren ansprechen, registrieren unsere natürlichen Sinne nur einen verschwindend geringen Ausschnitt. Aus diesem Spektrum der Ansprechbarkeit werden wiederum nur bestimmte Signale weiterverarbeitet. Der S transponiert die externen Ereignismuster in ein Format, das geeignet ist, Zustandsveränderungen im Inneren des Systems auszulösen. Die gewandelten Signale werden an der systeminternen Seite des S an Ein- und Ausgabe-Module des "Betriebssystems" übergeben.

Strukturveränderungen können wiederum dazu führen, daß das System den Sensor nachsteuert oder anweist, andere Signale auszufiltern (Fokussierung, Aufmerksamkeit) oder den Effektor, Ereignisse außerhalb des Systems auszulösen. Ebenso wie S verfügt jeder E über eine endliche Bandbreite von Umweltereignissen, die er auslösen kann.(38)

Gegen Maturanas und Luhmanns Insistieren, daß nichts übertragen werde, muß man an die Grundoperationen jedes Mediensystems erinnern: Speichern, Verarbeiten, Übertragen (F.Kittler). Was auf die Sensoren fällt sind Signale. Signale gehören ins Reich der Physik und nicht in das der Semantik (Shannon). Sie sind spezifiziert (welcher Teil des elektromagnetischen Spektrums, welche Modulation etc.) durch die Beschaffenheit des Senders und Empfängers. Den vagen Begriffen Perturbation und Irritation läßt sich also ein gut untersuchter nachrichtentechnischer Mechanismus unterlegen.

Der hier vorgeschlagene Schritt geht hinter die Schließung zurück ohne das erreichte Beschreibungsniveau aufzugeben. Das System behält einen hohen Grad an Autonomie zur Konstruktion seiner Wirklichkeit, doch bedarf es dazu transitiver Operationen. Der Mechanismus der internen selbstreferentiellen Generierung von Information durch Abgleich mit gespeicherten Signalmustern bleibt bestehen. M.a.W., Signale lassen sich übertragen, Bedeutungen nicht. Doch erhält der sensoeffektorische Aspekt einen konstitutiven Stellenwert für die System/Umwelt-Dynamik. Das, was an der Systemgrenze geschieht, tritt wieder in den Vordergrund, die stiefmütterlich behandelten Sensoren und Effektoren, die Gateways, die Interfaces erhalten einen gestärken Systemplatz. Der Operationsbegriff öffnet sich vom Intra- zum Inter-. Für diese Bewegungen soll die Figur des Fikusâ eingeführt werden.

 

Medien

Ausgehend von McLuhans These, daß es sich bei Medien um Extensionen und Externalisierungen unserer Sensoren und Effektoren handele,(39) ist außerdem ein zweiter Satz von "sekundären" Systembestandteilen hinzuzudenken. Ein solcher physiologischer Ansatz erlaubt, die sinnesästhetischen Verschiebungen durch Medien, von denen McLuhan, Flusser, Derrick de Kerckhove und, aus einer anderen Perspektive auch Dietmar Kamper sprechen, weiterzudenken.

Durch S´ und E´ erweitern sich Bandbreite und Reichweite der Perturbationsmöglichkeiten des Systems. Wie die Sinne haben die Medien ihre Randbedingungen, ein Möglichkeitsspektrum von ein- und ausgehenden Signalen und charakteristische Operationen (Filtern und Transponieren). Das System kann auf S´ als Teil seiner Umwelt reflektieren. Sobald es jedoch auf die Quelle der Signale Bezug nimmt, die über S´ in sein Input-Modul gelangen, verschmelzen Sinnesorgan und Medium zu einem einheitlichen Sensor.(40) Ich "ist" im Bild, nicht im Fernsehzimmer. Interaktivität "erscheint als tiefgründige ´Oberflächenberührung´ von Auge und Display [... Sie] erzeugt ihren Nutzen nicht in der ´direkten´, unmittelbaren Kopplung, sondern in dem technologischen Übertraguns-/Rückübetragungsraum der ´Interfaces´."(41)

Wenden wir uns nach diesen Überlegungen noch einmal dem Problem der operativen Geschlossenheit zu. Eine kanonische Begründung dafür, daß die Operationen des Nervensystems bei der Konstruktion von Wirklichkeit, wenn auch nicht allein ausschlaggebend, so doch ungleich wichtiger sei, als die des S, findet sich bei Hejl:

Der optische Nerv des Frosches, der den optischen Eingang zum Gehirn bildet, besteht aus ca. 500.000 Nervenfasern, während der optische Nerv des Menschen aus einer Million Fasern besteht. Das Gehirn des Frosches besteht jedoch nur aus einigen Millionen Nervenzellen im Verhältnis zu den 500 Milliarden bis 1 Billion Nervenzellen des Menschen. Dies verdeutlicht, was Spezialisierung auf Anpassung bedeutet: Zunahme und Komplexifizierung der internen Möglichkeiten zur Erzeugung neuer Realitäten. (42)

Da wir über gerade doppelt so viele Sensorzellen verfügen wie der Frosch, könne unsere "Spezialisierung auf Anpassung" offensichtlich nicht hier ihre Ursache haben. Doch das, was wir dem Frosch an Hirnmasse voraus haben, hat dazu geführt, daß wir uns ein künstliches Sensorium schufen: Mikroskope um in den Raum des Kleinsten, Teleskope um in den Raum des Größten und Computer um in den Möglichkeitsraum schauen zu können. Ginge dieser Aspekt in den buchhalterischen Leistungsvergleich von C und S ein, würde man leicht auch bei der Zahl möglicher Signale, die ins System gelangen, auf eine Steigerung um sechs Zehnerpotenzen kommen. Ist Wirklichkeit, wie Oswald Wiener schrieb, "ein Traum, der aus dem Sensorium gesteuert wird",(43) so ist die mediale Wirklichkeit ein Traum im Traum, der durch das künstliche Sensorium gesteuert wird.

Den Mechanismus der sensoeffektorischen Rückkopplung schließt Luhmann mit dem Modelle der autopoietischen Geschlossenheit aus. In den Sozialen Systemen findet sich jedoch eine Passage, an der ein Versuch ansetzen könnte, Luhmann vom Kopf auf die Beine zu stellen.(44) Er spricht hier vom Input/Output-Schema, das als Einfüllung von "Umweltoffenheit" in den 50er und 60er Jahren eine Hausse erfahren habe.(45) Die Strukturen eines Systems wurden danach als Transformationsregeln aufgefasst, die einen Input in einen Output umsetzen. Luhmann sieht eine, wenn auch nur eng begrenzte, systemtheoretische Relevanz dieses Schemas. Er ordnet es dem Begriff der Handlung zu, die vom System konstruiert wird. Aus dieser Sicht erscheine die Differenz System/Umwelt gedoppelt als Input-/Outputgrenze. Handlung ist als Sinnelement angewiesen auf Bedingungen und zielt auf Ergebnisse. Wenn beides gegeben ist, "kann das System durch Handeln eine Umsetzung von Input in Output vollziehen."(46) Das Schema ermögliche es, grenzüberschreitende Leistungen zu regulieren. Diese Funktion könne sich als "gate-keeper" an der Systemgrenze ausdifferenzieren, der eine Adresse für interne und externe Anschlußprozesse bereitstelle.

Luhmanns Einwände gegen dieses Schema stützen sich auf das Modell eines starren Input/Output-Verhaltens, auch wenn das System in begrenztem Maße seinen In- und Output variieren könne. Als Beispiele für "derartige Sonderformen" kommen ihm Organisationen des politisch-administrativen Bereichs und Wirtschaftsorganisationen in den Sinn. An seinem Vergleich von Sozialisation und Erziehung wird deutlich, daß er eine standardisierte interne Verschaltung vor Augen hat. Sozialisation komme durch Mitleben in einem sozialen Zusammenhang zustande. Erziehung dagegen benutze die Reduktion auf Handlung, um bei den Schülern einen gewünschten Output auf einen definierten Input hin zu erzielen.(47) Von Foerster bezeichnet diese Art der Erziehung als eine "Trivialisierung" im Sinne der Automatentheorie.

"Dort ist eine triviale Maschine durch eine festgelegte Input-Output-Beziehung gekennzeichnet, während in einer nicht-trivialen Maschine (Turingmaschine) der Output durch den Input und den internen Zustand der Maschine bestimmt wird." (48)

Würde man, wie hier vorgeschlagen, auf das Modell der sensoeffektorischen Koppelung an die Umwelt zurückgehen, würde sich die Differenz System/Umwelt aus einer Unterscheidung in interne S/E und externe S/E ergeben. Beobachten und Handeln als transitive Operationen würde in die Möglichkeitsbedingung eines Umweltkontakts eingeholt. Die selbstreferentielle Strukturierung des Systems -- ausgelöst aber nicht bestimmt durch einen beständigen Input/Output, ein "be-greifendes Beobachten" -- müßte keineswegs aufgegeben werden. In Abwandlung Maturanas Satz könnte man sagen, das System empfängt und sendet Signale und bringt eine Welt hervor. Die Erhöhung der inneren Komplexität durch Selbstreferenz ist Voraussetzung für eine nicht-triviale Verarbeitung von einkommenden und Erzeugung von ausgehenden Signalen.

Damit wäre zweierlei gewonnen. Die Aufmerksamkeit richtet sich damit auf die Vorgänge an der Systemgrenze, auf die medialen S/E, den gate-keeper, das Interface. Medien wären nicht nur als "Funktionssystem der Gesellschaft" zu denken, sondern als eine Welt von Sensoren und Effektoren, über die soziale Systeme verschaltet sind. Zweitens wäre ein Begriff des Handelns und damit Ziele (die natürlich immer scheitern können) in die grundlegende Ebene der System/Umwelt-Beziehung aufgenommen, und damit auch das darin implizierte Element der Verantwortung (von Foerster).

 

Fikusâ

Dem Otaku ist die transitive Figur des Fikusâ komplementär, mit all der sozialen Fixigkeit ausgestattet, die dem Otaku abgeht. Er ein Wesen, das sich instinktiv an den Schnittstellen zwischen Systemen anlagert; der Adapter, der die Operationen leistet, die operativ geschlossene (Otaku-) Systeme miteinander verbinden.

Auch das Wort fikusâ ist aus dem Japanischen entlehnt.(49) Allgemein läßt sich das Wortfeld so umreißen: Ein Fikusâ ist ein Koordinator; eine Figur des Dazwischen; ein Bindeglied; eine fließende, bewegliche Figur.(50) Im Netzwerk-Jargon gesprochen: ein Gateway. Eine Mediatrix(51), ein go-between, ein Intermediär. Das wichtigste Keyword hier ist to mediate.(52) Der Fikusâ ist ein Medium.

Um einen Transit bewerkstelligen zu können, muß er in mindestestens zwei Systemen operieren. Er übersetzt und erzeugt Anschlußfähigkeit, Kompatibilität. In jedem Falle geht es ihm darum, die Eigenschaften der verschiedenen Kanäle und der Kulturen, die darum entstehen, die Bewegungen der Öffnung und Schließung zu kennen.

Der Fikusâ ist eine Borderline-Figur, ein Grenzgänger. Auf der Grenze etabliert er seinen Posten, eine Passage zwischen Systemen, einen Code-Konverter und eine Zollstation. Im Strom der Informationen baut der Fikusâ seine Netze auf. Guter Fang ist, was auf dem Markt der Information Tauschwert hat. Eingetauscht werden kann es für andere Information, für Geld, für Verbindlichkeiten, Dienstleistungen, materielle Waren. Jede neue Bekanntschaft, jeder Party-Talk ist eine Investition, die sich vielleicht auszahlt. Für die Informations-Haben-Seite sucht der Fikusâ ständig nach einem komplementären Informations-Mangel. Der kann, bei entsprechendem Geschick, wie überall auf dem Markt gezielt hergestellt werden. Am Informations-Gefälle richtet der Fikusâ sich ein. Wie ein Wasserkraftwerk bezieht er seine Energie aus dem Differential.

Von außen beobachtet gelingt ihm vermeintlich eine zwanglose Vermischung von Spiel und Arbeit. Das japanische Wort asobu (spielen) schließt auch das gemeinsame Trinken ein. Der Fikusâ arbeitet mit dem Sektglas in der Hand. Tatsächlich werden ihm die ständigen Empfänge und Vergnügungsetablissements zur harten Arbeit. Fikusâ agieren in jeder Domäne: Kunstmarkt, Wissenschaftsmarkt, Markt der Ideen, Markt der Wirtschaftsinformationen. Ihre Qualifikationen liegen eher notgedrungen auch in einem Sachgebiet. Der Kunst-Fikusâ wird ein Grundverständnis von Angebot und Nachfrage, eine Karte zur Einordnung dessen, was er auf den jeweiligen Vernissagen und in den Studios sieht, benötigen. Er ist häufig Autodidakt, denn hat sich das Wissen um die Koppelung zweier Systeme erst soweit stabilisiert, daß es institutionell unterrichtet werden kann, wird der Fikusâ seine Zelte abbrechen und weiterziehen. Vor allem aber operiert er relational, indem er mit möglichst vielen Seiten spricht und sich daraus ein Gefühl für die Wertigkeiten filtert. Die Stärke des Fikusâ liegt gerade in dieser Methodik, die ebensogut auf alle möglichen anderen Gegenstandsbereiche anzuwenden sind.

Der Fikusâ ist Parasit und Gast (Serres). Er ist formlos und weder A noch B zuzuordnen. Er ist Landvermesser, der durch seine Tätigkeit das Gelände ständig neu absteckt. Er selber ist aber auf keiner Karte einzutragen. Er ist ein informationelles Zwischenwesen -- zwischen Domänen, Sprachen, Ländern. Er ist ein frequent flyer.

Wie der der Nomaden ist sein natürlicher Ort das Unterwegs. Aber in sekundär-nomadisierten Zeit kann der Fikusâ ebensogut an einem der Näbel der Welt sitzen, ohne sich zu rühren, und seine Netze in die ständige Umwälzung der Kulturen halten. In jedem Fall aber gehört der Fikusâ -- wie das Fernweh und der Stau -- als fester (fixer) Bestandteil zu den Verkehrswegen der Information. An ihnen erhebt er seinen Wegezoll.

Die Leistung, die er für seinen Tribut erbringt, ist eine Konversion. Der Grad der Umformatierung, den das informationsverarbeitende System Fikusâ intern vornimmt, hängt von den Regeln des jeweiligen Informationsmarktsegmentes und seinem individuellen Geschick ab. Es gibt den Typus, der sich wie die Dame vom Amt in Telefongespräche einklinkt (oder mit einer digitalen Netz-Metapher gesprochen: wie ein Router in die Paketströme), der lediglich die Telefonnummern aus seinem elektronischen Organizer miteinander abgleicht, zur rechten Zeit den rechten Connect vermittelt, woraufhin die verkuppelten Parteien alles weitere untereinander, ohne Zutun des Fikusâ regeln.

Am anderen Ende der Skala steht der Typus Fikusâ, der die Information beim Durchgang durch sich anreichert, ein komplexe Transkodierung vornimmt, der der Käuferseite Interpretation, Zusatzinformation, Kontext, Übersetzung über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg mitliefert, value added information; der die Kommunikationen von einem geschlossenen System in das andere transponiert.

Daß diese Form von Multikulturalität ein andere Referenz erfordert als die auf Wahrheit macht eine Geschichte von Foersters deutlich.

Ich habe einen lieben Freund, der in Marakesch aufgewachsen ist. Das Haus seiner Familie stand auf der Straße, die das jüdische vom arabischen Viertel trennte. Als Jugendlicher spielte er mit all den anderen Kindern, hörte sich an, was sie dachten und sagten, und lernte ihre grundsätzlich verschiedenen Ansichten kennen. Als ich ihn einmal fragte, wer denn recht hätte, antwortete er mir, beide hätten recht.

"Aber das kann doch nicht sein", beharrte ich auf meinem aristotelischen Standpunkt, "nur einer kann im Besitz der Wahrheit sein!"

"Das Problem ist nicht Wahrheit", antwortete er, "das Problem ist Vertrauen." (53)

Der Otaku konstituiert sich aus der Unterscheidung in das, was als Operation systemkonstituierend ist, und in die immer mitlaufenden, dem System sogar als Möglichkeitsbedingung dienenden, aber systemunspezifischen Prozesse.(54) Der Fikusâ dagegen achtet vor allem auf die Verkettungen von Kommunikationen, Menschen und Artefakten, die transversal zu Systemen laufen.

 

Zweiter Set: Kybernetiker zweiter Ordnung, die Dialogiker

In diesem zweiten Set beginnt sich ein holistisches Verständnis der Welt durchzusetzen. Es überwiegt ein Interesse an Öffnungen, an Schnittstellen, Interfaces und interoperablen Systemen.

Die wichtigsten neuen Operationen der Komplexitätsbewältigung sind Emergieren- und Wachsen-Lassen. Die konnektionistische KI versteht unter "Leben" die Strukturbildung von adaptiven dynamischen Systemen und führt damit eine Interaktions-zentrierte Einseitigkeit ein. Macht organisiert sich in verteilten, dezentralen Systemen.

Dieselben Strukturen finden sich in Rechnerarchitekturen ("Non-Von" Parallelrechner, Neuronale Netze), Software (Objektorientierung, genetische Algorithmen), Datennetzen (das Computing-Paradigma: paketorientiert und Router-vermittelt). Computersysteme sind offen und interoperabel (zum großen Teil weiterhin proprietäre, aber auf Anschlußfähigkeit hin entworfene Technologie). In Medien ist der wichtigste Trend jetzt der Übergang aller Einzelmedien von einem analogen in ein digitales Format und damit die Vereinheitlichung ihrer technischen Möglichkeitsbedingung im Universalmedium Computer und in Punkt-zu-Punkt-Datennetzen.(55) Das führt nicht etwas zu einer "Entdifferenzierung" der Einzelmedien, sondern zu einer Vervielfältigung der Optionen durch die Explosion der Zahl der Sender. Die Medienkongolomerate organisieren sich um, doch ist nach einer relativ offenen Übergangsphase mit einer neuerlichen Konzentration zu rechnen. In der Kybernetik entspricht dieser Set der "humanistischen" Fraktion, den Dialogikern (McCulloch, von Foerster, Bateson). Der Mensch gilt ihnen als "prinzipiell unentscheidbare Frage", die eben deshalb wir als Menschen entscheiden können (von Foerster).

Diesem Set entspricht die Figur des Fikusâ als derjenige, der über Systemgrenzen hinweg operiert. Fikusâ reflektieren auf eine Welt der zwischenmenschlichen Beziehungen. Auch wenn sie über Ideen oder Dinge, z.B. Technologie nachdenken, tun sie dies im Modus von Relationen von Menschen. Sachbezüge dienen ihnen nur zur Identifizierung von Differenzen zwischen Systemen. Nachgerade instinktiv suchen sie ständig nach Berührungsflächen von Systemen, die nicht oder nur schwach gekoppelt sind. Dazu müssen sie sich innerhalb der Codes verschiedener Systeme bewegen können. Wenn sie nicht interaktiv sind, sind sie nicht. Sie interessieren sich für offene Systeme und Öffnungen in geschlossenen Systemen. Sie existieren an den Schnittstellen, sowohl im Diesseits wie im Jenseits der Systemgrenze, aber immer mit bezug auf sie und ihre Durchläßigkeit.

 

Viertens -- Gratwanderung

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Das gleiche gilt für die Wirklichkeit und für ihre Systeme. O.Wieners Satz "Wirklichkeit ist ein Traum, der aus dem Sensorium gesteuert wird" verweist auf die Schnittstelle zwischen dem Träumenden und seiner Umwelt, und das sind, wenn auch nie ausschließlich, so doch in zunehmendem Maße, Medien.

Der vorangegangene diskursgeschichtliche par force Ritt durch das Systemdenken, das aus der Kybernetik hervorging, läßt sich in drei Bewegungen zusammenfassen. Die Kybernetik hat sich als Grenzüberschreitung (zwischen den Disziplinen) um einen Prozeß der Interaktion konstituiert. Dann verschiebt sich der Fokus auf Schließungen und Grenzziehungen, Steuerung und Kontrolle. Und schließlich, nachdem die Grenzen gezogen sind, kommen sie in Fluß. Ziel der Übung war ein Plädoyer dafür, den ursprünglichen sensoeffektorischen zielorientierten Rückkopplungkreislauf wiedereinzuführen, d.h. hinter Luhmann und Maturana zurückzugehen und damit Handeln und Ziele wieder zum Thema zu machen.

Maturana/Varela beschreiben ihre Bewegung als Gratwanderung zwischen der Szylla des Repräsentationismus und der Charybdis des Solipsismus.(56) Der hier aufgezeigte Grat liegt zwischen einem Bild vom Menschen, der bewußt (vernünftig, kritikfähig, konsensuell usw.) seine Welt konstruiert (nicht nur epistemologisch, sondern auch ingenieurwissenschaftlich) und dem Fatalismus des Ablaufenden, den "meta-anthropolgischen" Systemen des Sozialen, der Sprache, der Technologie, des Geldes, die ihre Autopoiesen durch Individuen hindurch, aber ohne ihr Zutun fortsetzen. Der Grat dazwischen eröffnet Raum für Handeln, Intervenieren, Einflußnehmen auf Zielsetzungen, Leitbilder.

Als denkende und handelnde Bestandteile von sich selbst steuernden Systemen sind Medientheoretiker, -Politiker, -Rechtler, -Ökonomen, -Soziologen und natürlich the rest of us ganz alltagspraktisch herausgefordert, in der gegenwärtigen bewegten Medienlandschaft zu intervenieren und mitzugestalten. Fragen von Überwachung, Zensur, Zugang, Redefreiheit, intellektuellem Eigentum, Schutz der Privatsphäre, Kryptografie, Fragen der Gestaltung der Strukturen, der Interfaces und des Content der Turing Galaxis(57) stehen an. Eine Theorie, die nicht nur über die Gesellschaft, sondern mit ihr spricht, hätte hier einen Beitrag zu leisten.

 


Anmerkungen

1. Dieser Text ist in Dankbarkeit meinen Eltern gewidmet. Dank für Unterstützung verschiedenster Art geht an Christian Unverzagt, Beate Ziegs, Claudia Wajhudi, Udo Schneider, Franka Ostertag, Wolfgang Coy, Peter Pörtner, Bernd Ternes und -- Inke Arns. Dank für finanzielle Unterstützung irgendeiner Art kann leider nicht ausgesprochen werden.

2. Sherry Turkle, Life on the Screen. Identity in the Age of the Internet, Simon & Schuster, N.Y. etc. 1995

3. Vgl. V.Grassmuck, Die Turing Galaxis. Das Universalmedium auf dem Weg zur Weltsimulation, in: Lettre International, Heft 28, 1.VJ. 95, Berlin

4. 1939 zählten Radargeräten mit ihren 40 Komponenten zu den komplexesten Kriegsgeräten. Nur zehn Jahre später bestanden Computer aus 20.000 Komponenten. [Bernhelm Boos-Bavnbek, Glen Pate, Magischer Realismus und die Produktion von Komplexität, in: Wolfgang Coy (ed.), Sichtweisen der Informatik, Braunschweig, Wiesbaden 1992, S.229-248, S.232] Tausende solcher Computer, die zusammen mit Radarstationen und dem sie verbindenden Telefonsystem bildeten das komplexeste System der Nachkriegszeit: ein Frühwarnsystem mit dem anmaßenden Namen SAGE. [Coy in Computer als Medium, Fink, München 1994, S.26]

5. und Gotthard Günther wird ergänzen: "... und nicht Geist oder Subjektivität". G.G., Das Bewußtsein der Maschinen. Eine Metaphysik der Kybernetik, Baden-Baden, Krefeld 1963

6. Heinz von Foerster, KybernEthik, Merve, Berlin 1993, S.64; S.80

7. von Foerster, op.cit, S.100

8. Heute ist Interdisziplinarität ein alltägliches Catchword (und zugleich ein immer noch ungelöstetes Problem). Damals ist sie -- der Sache, wenn auch nicht dem Wort nach [vgl. von Foerster, op.cit., S.113] -- entstanden.

9. nach Steven Joshua Heims, The Cybernetics Group, MIT Press, Cambridge, Mass., London 1991, S.22

10. A.Turing, On Computable Numbers (1937), dt. in: Bernhard Dozler und Friedrich Kittler (Hrsg.), Alan Turing, Intelligence Service, Brinkmann & Bose, Berlin 1987

11. in The Mathematical Theory of Communication (1948)

12. Jörg Pflüger, Über die Verschiedenheit des maschinellen Sprachbaues, in: N.Bolz, F.Kittler, Ch.Tholen (Hrsg.), Computer als Medium, Fink, München 1994, S.161-181

13. Hans Dieter Hellige, Militärische Einflüsse auf Leitbilder, Lösungsmuster und Entwicklungsrichtungen der Computerkommunikation, in: Technikgeschichte Bd. 59 (1992) Nr.4, S.371-401

14. Katô Hidetoshi, Media, Culture and Education in Japan. A Collection of Papers, Bulletin of the National Institute of Multimedia Education, 3/92, Chiba 1992

15. von Foerster, op.cit., S.100

16. Humberto R.Maturana und Francisco J.Varela, Der Baum der Erkenntnis. Die biologischen Wurzeln des menschlichen Erkennens, Scherz, Bern und München 1987, S.185

17. Auch computer-vermittelte Kommunikation subsumiert er im wesentlichen unter Verbreitungsmedien, mit dem Zusatz, daß neben der raumzeitlichen Entkoppelung von Mitteilung und Verstehen, die bereits durch die Schrift erfolgt, durch den Computer auch die Sachdimension des Sinns der Kommunikation in die Entkoppelung einbezogen werde. [Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Suhrkamp, FfM 1997, S.302 ff.]

18. N.Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Westdeutscher Verl., Opladen 1996

19. Luhmann, 1996 op.cit., S.43

20. Agentur BILWET, Der DatenDandy. Über Medien, New Age, Technokultur, Bollmann, Mannheim o.J.

21. Vgl. V.Grassmuck, "Allein aber nicht einsam" - Die Otaku-Generation, in: Computer als Medium, op.cit. S.267-296; http://www.is.in-berlin.de/~vgrass/Texts/otaku.d.html; Vgl. auch Otaku, Eine Reportage von Jean-Jacques Beineix und Jackie Bastide, Journalist: Etienne Barral, Cargo Film, France, Sommer 1993.

Die wichtigste Neuigkeit aus der japanischen Otaku-Welt ist Okada Toshio. Nach der letzten Phase, in der Taku Hachirô mit dem kimochi warui-Stil seiner Illustrierten-Kolumnen und TV-Shows und der Kindermörder Miyazaki das Bild der Otaku bestimmten, haben sie jetzt ein Sprachrohr auf höchster Ebene erhalten. Okada hat an seiner Alma Mater, der Tokyo Universität, immens populäre Seminare über den "Otakismus" gehalten, eine "Einführung in die Otaku-Forschung" [otaku gaku nyumon, Ohta Verlag, Tokyo 1996] veröffentlicht und hat Pläne, im Frühjahr 1997 einen Otaku-Fernsehkanal zu starten. Damit hätte der Otakismus nicht nur aus den heiligsten akademischen Hallen Japans die Würde eines Ideengebäudes, eines -ismus, erlangt, sondern auch noch einen breitbandigen 24-Stunden-Rückkopplungskanal.

22. in einem Gespräch, Tokyo, Oktober 1996

23. z.B. http://www.tkj.de

24. ähnlich Paranoia und Schizo (Deleuze/Guattari)

25. Vgl. V.Grassmuck, Vom Animismus zur Animation, Junius Verlag, Hamburg 1988, S.101 ff.

26. J.C.R. Licklieder & Robert W.Taylor, "The Computer as a Communications Device", Science and Technology, April 1968

27. Manfred Faßler, Strukturen medialer Interaktion, Habilitationsschrift, FU Berlin, Mai 1994

28. Vgl. Hellige, op.cit.

29. Die Notwendigkeit, Hardware der verschiedensten Hersteller miteinander zu verbinden, ergab sich in der US-amerikanischen Militär- und Telekommunikationswelt. Daraus entstand das plattformunabhängige Betriebssystem UNIX und das ebenfalls allgemeinste Netzprotokoll TCP/IP.

30. "Objektorientierte Programmierung beruht auf der Vorstellung, es mit einer Gemeinschaft (einem System) kommunizierender Objekte zu tun zu haben." [Pflüger mit H.Stoyan, op.cit., S.174]

31. Manuel De Landa, Meshworks, Hierarchies and Interfaces, http://www.t0.or.at/delanda/meshwork.htm

32. Für die beiden Seiten des Streits zwischen Symbolismus und Konnektivismus vgl. Stephen R.Graubart (Hrsg.), Probleme der Künstlichen Intelligenz, Springer, Wien, N.Y. 1996

33. Für eine gute Einführung s. Christopher G.Langton, Artificial Life, in: K.Gerbel, P.Weibel (Hrsg.), Genetische Kunst, Künstliches Leben, Katalog der Ars Electronica, Linz 1993

34. Luhmann, 1997, op.cit., S. 102

35. ibid, S. 107

36. von Foerster, op.cit., S.76

37. unter den Randbedingungen seiner durch Koppelung entstanden Struktur -- an diesem Punkt halte ich den Konstruktivismus für unhintergehbar.

38. Die Hand hat natürlich auch sensorische Eigenschaften, genauso wie das Auge effektorische.

39. Marshall McLuhan, Understanding Media: The Extensions of Man, N.Y. 1964

40. Um eine größtmögliche störungsfreie Koppelung zu erreichen, ist das neue HDTV-Format nach ausführlichen Studien der sensorischen Spektrums und der Modalität des Auges entworfen worden. S und S´ sind "passend" gemacht worden.

41. Faßler, op.cit., S.34

42. Peter M.Hejl, Konstruktion der sozialen Konstruktion, in: H.v.Foerster, E.v.Glasersfeld, P.Hejl, S.Schmidt, P.Watzlawick, Einführung in den Konstruktivismus, Piper, München (1985) 1992, S.121

43. Oswald Wiener, Probleme der Künstlichen Intelligenz, Merve, Berlin 1990, S.147

44. eine Bewegung, die genau derjenigen von der symbolistischen zur konnektionistischen KI entspäche.

45. N.Luhmann, Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeine Theorie, Suhrkamp, FfM, (1984) 1996, S.275 ff.

46. ibid. S.278

47. ibid. S.280 f.

48. Von Foerster, op.cit., S.170 f.

49. Das es aus dem Englischen übernommen hat, und das wiederum von lat. fixus, fest, unbeweglich; konstant, beständig; daraus seit dem 17.Jh. "sicher, geschickt, erfahren" und schließlich auch "behende, schnell", vgl. fixe Zunge. Unter fixer verzeichnet der Langenscheidt 1. (phot.) Fixiermittel 2. 'Organisator', Manipulator 3. (sl) 'Dealer'.

Die Bedeutung des japanischen fikusâ liegt zwischen 2. und 3. Im "Grundwissen der gegenwärtigen Begriffe" (Gendai Yôgo Kisochishiki) von 1992 wird es mit Verweis auf seinen Ursprung in der amerikanischen Umgangssprache erklärt als jemand, der bei einem Vorfall, Ereignis, bei Verhandlungen oder bei Streitigkeiten die Mittlerrolle oder den Schiedsrichter spielt; jemand, der Heiraten arrangiert; ein Peacemaker, der schlichtet, mit beiden Seiten redet, der interveniert mit dem Ziel die Parteien zu versöhnen; jemand, der Ideen (auch wörtlich: Texte in Kompilationen) und Leute bündelt und organisiert, vereinheitlich, zusammenschließt; jemand, der Kaputtes repariert, flickt, stopft, in Ordnung bringt; der Sache arrangiert, in die Wege leitet, Dinge erledigt.

50. wir sehen also eine 180-Wende gegenüber der ursprünglichen Bedeutung "konstant, unbeweglich"

51. Daß die englische Sprache der Vermittlerin mit mediatrix eine eigenständige Wortbildung gewidment hat, deutete darauf, daß es oft Frauen sind, die diesen Systemplatz übernehmen. Kinship is women's work [Dorinne K.Kondo], wie sich u.a. an den für Japan so wichtigen Heiratsvermittlerinnen zeigt.

52. 1. vermitteln, den Vermittler spielen[!] 2. dazwischen liegen, ein Bindeglied bilden; mediation Vermittlung, Fürsprache, (eccl.) Fürbitte; mediator Vermittler Fürsprecher, (eccl) Mittler mediatrix Vermittlerin.

53. von Foerster, op.cit., S.77

54. z.B. "Mit Geld kann man zwar die institutionelle Entwicklung der Wissenschaft steuern, aber die Produktion neuer Erkenntnisse bleibt davon unberührt. Ressourcen ... verändern lediglich die Intensität der internen Prozesse (u.U. auch differentiell), nicht aber deren Art." Günther Küppers in: G.Küppers (Hrsg.), Chaos und Ordnung. Formen der Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft, Reclam, Stuttgart 1996, S.144

55. Negropontes Begriff des "Digital-Seins" ist natürlich nicht als ontologische Aussage mißzuverstehen, aber er beschreibt präzise die Position des konstruierten Ich in seiner konstruierten Wirklichkeit in der Turing Galaxis.

56. Maturana/Varela, op.cit., S.145 ff.

57. Von den üblichen Problemen wie Völkermord, Rassimus, Sexismus, Kindersklaverei usw.usw. mal ganz abgesehen.