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Fitness-Studio
Volker Grassmuck
für Tagesspiegel
Interactive, Mensch und Maus
26.1.97
 

1996 war das Jahr, als die Zukunftsfähigkeit in Deutschland ihren vorläufigen Höhepunkt erlebte - wenn auch nicht notwendig der Sache, so doch dem Wort nach.

Die Konferenz "Internet & Politik" im Februar in München wird mit einem Grußwort von Landesvater Edmund Stoiber beginnen. Darin spricht er von der rasenden Dynamik der Netze und der Notwendigkeit, den englischen Computer-Kauderwelsch zu überwinden. "Online" würde er gerne - verständlich, aber wenig glücklich - mit "auf Linie!" eingedeutscht sehen. Seine Hauptmessage aber ist ein Gefühl der Dringlichkeit: "Die Sache ist wichtig. Es geht um nichts weniger als um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes."

Und da ist diese kuriose Wortneubildung wieder. Eine Recherche ergibt ein vereinzeltes Auftreten von "Zukunftfähigkeit" bereits in den 80er Jahren und einen unaufhaltsamen Aufstieg in den 90ern. Sie verbindet sich mal mit Parteitagen oder der Tourismusbranche, mal mit Technologie oder Vergangenheitsbewältigung. Politisch ist sie so neutral, daß sie von den Grünen bis zur CSU alle verwenden. In der ökologischen Bedeutung von Nachhaltigkeit oder Sustainability etabliert sie sich 1995 durch die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland". Zugleich kristallisiert ein Bedeutungsfeld von Hi-Tech, Innovationen, Multimedia und Computernetzen aus. Auf besagter Münchner Konferenz sieht z.B. Martin Bangemann in der elektronischen Demokratie den "Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit Europas".

Am auffälligsten an dieser kurzen Wortgeschichte jedoch ist, daß der Neologismus nie als fremd empfunden worden ist. Irgendwie scheint es ganz natürlich, Zukunft mit einer besonderen Befähigung zu ihr zusammenzudenken. Aber was heißt eigentlich, "fähig zur Zukunft" zu sein? Kommt die Zukunft nicht, wie immer, im wesentlichen unwissbar auf uns zu? Oder steckt gar ein Körnchen Wahrheit in jener anderen Politikerphrase: die Zukunft sei heute "näher als je zuvor"? Auf jeden Fall kommt sie schneller. In fünf Jahren wird nichts so sein, wie heute.

Daher aber ist eine strategische Planung des Kommenden unmöglich. Die gesuchte Fähigkeit muß ein Aushalten-Können des Ungewissen sein. Eine ausgeprägte Gegenwartsfähigkeit könnte eher hinderlich sein fürs Kommende. Ob Standort, "kommunizierende Einheit" (Stoiber) oder Einzelner, alle müssen ihre Zukunftsfähigkeiten inventarisieren und gezielt ausbauen. Sie sind das wichtigste Lernziel jeder Bildung von Kindergarten bis Rentnerfortbildung. Und Zunkunftsunfähigkeit, wie die der Dinosaurier, wird mit Aussterben bestraft.

Bringen Sie sich auf Linie! Machen Sie sich fit for survival. Betreiben Sie Bodybuilding für Ihren Kommunikationsmuskel. Bis Sie schließlich den Gipfel erklommen haben, wo vor Ihnen nichts mehr liegt als die Zukunft.