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Anmerkungen zum Begriff des Analogrechners

An vielen Stellen wird der Begriff des Analogrechners auf die in den meisten Fällen verwendete Implementationstechnik zurückgeführt. Wikipedia, das auch aus anderen Gründen keine gute Quelle ist, schreibt etwa: "Analogrechner repräsentieren ihre Daten meist nicht als diskrete Werte wie die Digitalrechner, sondern als kontinuierliche — eben analoge — Größen, zum Beispiel in Form von geometrischen Längen, Winkeln, Wasserständen, elektrischen Spannungen oder Strömen [...]". Im gleichen Satz muss Wikipedia aber bereits zugeben, dass es auch digitale Analogrechner geben kann: "[...] [E]s gibt jedoch auch quasi digitale Analogrechner, [...] welche eine zu einer Problemstellung analoge Nachbildung mit Hilfe digitaler Grundelemente (Summierer, Integrierer und Multiplizierer) ermöglichen" (Seite "Analogrechner". In: Wikipedia. Bearbeitungsstand: 30. Juli 2010, 20:12 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Analogrechner&oldid=77267079)

Die Zurückführung des Begriffs auf die eingesetzte Technik ist für Analogrechner genauso wenig sinnvoll, wie eine Gleichsetzung von Digitalrechnern mit ihrer häufigsten Umsetzung — der Elektronik. In beiden Fällen werden verschiedene Abstraktionsstufen unzulässig vermischt.

Für das Seminar sollen Analogrechner solche Systeme sein, die "Probleme [...] lösen, indem Rechenelemente in einer Art und Weise miteinander verschaltet werden, die eine Struktur nach sich zieht, welche sich dem jeweils zu lösenden Problem analog verhält." (Ulmann, Analogrechner, S. 3) Diese Betrachtung, die sich auf den Begriff der Analogie bezieht, konzentriert sich auf diejenige Eigenschaft solcher Systeme, die auch das eigentliche Ziel des Informatikstudiums an einer Universität ist: die Ausprägung von Problemlösungskompetenzen.

Praktisch können dabei Analogrechner sowohl mit analog- als auch mit digitaltechnischen Bauelementen umgesetzt werden, es gibt demnach sowohl analoge als auch digitale Analogrechner.

Zweitens lassen sich nach dem Abstraktionsgrad der Analogiebildung direkte und indirekte Analogrechner unterscheiden, wobei der Abstarktionsgrad bei den indirekten Analogrechnern höher ist als bei den direkten. "Die direkten Analogien oder auch Modelle haben die Eigenschaft, dass neben den gleichen Gesetzen auch die gleichen physikalischen Größen verwendet werden, nur mit einem Abbildungsmaßstab." (Ernst, Elektronische Analogrechner, S. 15f.) Zu den direkten Analogrechnern gehören maßstäbliche Modelle (etwa Flugzeuge für einen Windkanal), Netzmodelle oder Wasserbaumodelle. "Die indirekten Rechenhilfsmittel lösen sich von der unmittelbaren Abbildung der physikalischen Größe und suchen nur noch ein analoges Gesetz bzw. eine mathematische Operation." (Ernst, Elektronische Analogrechner, S. 16) Dazu gehören die meisten der von uns im Seminar betrachten Analogrechner, von den mechanischen (Rechenschieber, Planimeter, Integrieranlagen) über die fluidtechnischen (MONIAC) bis zu den elektrischen Analogrechnern.

Drittens gibt es viele Geräte, für die der Begriff des Rechners unpassend ist. In der Form, wie sie praktisch eingesetzt wurden, handelt es sich eher um Messgeräte als um Rechner. Ihre Zuordnung zu den Analog"rechnern" ist nur vor dem Hintergrund ihrer inneren Funktionalität und dem in der Praxis eingeführten Begriff "Analogrechner" sinnvoll.

Den Schwerpunkt im Seminar werden die indirekten analogen Analogrechner bilden, vor allem, weil sie neben dem wichtigen Aspekt der geeigneten Analogbildung auch extrem anschaulich in ihrer Funktionsweise sind.

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